Kultur

Mendinis "Poltrona di Proust", pointilistisch bemalt (1978). (Foto: Neue Sammlung)

09.09.2011

Plüsch trifft Proust

Alessandro Mendinis ironisch beseelte Poesie der Dinge im Designmuseum Nürnberg

Der „schräge“ Stuhl ist „unsitzbar“, die Lampe ist „lichtlos“ und die Espresso-Maschine sieht aus wie ein Leuchtturm, spendet aber keinen Kaffee. Alessandro Mendini ist in jeder Hinsicht ein „schräger Künstler“, der mit der elitären Ästhetik der Hochkultur nichts am Hut hat, sondern zwischen Dekor, Design und Kitsch aus der Form fällt und stilsicher daneben liegt. Jetzt widmet ihm die Neue Sammlung München im Nürnberger Staatsmuseum für moderne Kunst und Design zum 80. Geburtstag die erste Einzelausstellung in Bayern – und stellt einen „alten jungen Künstler“ vor, dem nichts heilig ist und der weder Kunst noch Design, geschweige denn sich selbst ernst nimmt.
Dabei gehört er zu den berühmtesten Designern des 20. Jahrhunderts, dessen Entwürfe und Objekte, man zwar kennt, aber nicht immer sofort mit seinem Namen verbindet. Was wohl daran liegt, dass er in einem unvergleichlichen Stilmix Vorgefundenes aufgreift und so verfremdet oder neu arrangiert, dass eben doch ein „echter Mendini“ daraus wird – fast so was wie ein „Avantgardist der Postmoderne“, der Kitsch zur Kunst nobilitiert oder sich über Kunst als Kitsch lustig macht.
Dabei greift er, der sich als „Meister des Re-Designs“ sieht, ironisch auf den italienischen Futurismus zurück, zitiert in seinen witzig dekonstruierten, oft nur übermalten Objekte augenzwinkernd Kandinsky und den Expressionismus, lässt Dalí und den Surrealismus assoziativ aufscheinen oder zieht – mit einem Mosaik-Pinocchio etwa – die Monstrositäten einer Niki de Saint-Phalle ins Lächerliche.
Was in seinem immer wieder variierten „Poltrona di Proust“ exemplarisch zusammenläuft, wo Plüsch auf Proust trifft und ein gewaltiger neobarocker Sessel aus dem 19. Jahrhundert von Mendini aus dem 19. Jahrhundert von Mendini im Stile des pointillistischen Künstlers Paul Signac malerisch verpixelt oder zum massenhaft reproduzierbaren Porzellan-Nippes karikiert wird – und damit Kaskaden der Erinnerungen, für die Marcel Proust wie kein anderer stand, auslöst.
Kein Wunder, dass man sich bei diesem Stilpluralismus überwältigender Farb- und Foarmspielereien an den amerikanischen Kitschier Jeff Koons „erinnert“, den der 80-jährige Mendini aber schon in den Schatten stellte, als es diesen noch gar nicht gab. Auf der Suche nach der verlorenen Kunst landet man eben doch bei dem „Banal-Designer“ (Mendini über Mendini) und seinen „Crossovers“ und „Patchwork“-Objekten – und entdeckt darin eine unnachahmliche Poesie der Dinge, die er mit Esprit und Ironie beseelt. (Friedrich J. Bröder)

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