Kultur

Der Ausnahmepainist Lang Lang begeisterte einmal mehr das von überall nach Bad Kissingen angereiste Publikum. (Foto: dpa)

26.10.2016

Poet am Piano

Der Abschiedsabend für die scheidende Intendantin des Kissinger Sommer mit Star Lang Lang wird heftig bejubelt

Es war ein bewegender, bravouröser Abschied für die nach 30 Jahren des Erfolgs scheidende Intendantin des Kissinger Sommers, Kari Kahl-Wolfsjäger, im bis auf den letzten Platz besetzten Max-Littmann-Saal des Regentenbaus: Atemlos und nahezu hustenfrei lauschten die 1200 Zuhörer dem virtuosen Lang Lang bei einem Konzert der Extraklasse.

Unglaubliche Freundschaft

Der 35-jährige Ausnahme-Pianist aus China, getragen von der Sympathiewelle seiner auch von weit her angereisten Anhänger, darunter Landsleuten, angeführt von der chinesischen Generalkonsulin Mao Jingqin aus München, bedankte sich mit vielen Verbeugungen für die begeisterten Ovationen „seines“ Kissinger Publikums und vor allem bei der Intendantin für 13 Jahre „unglaubliche Freundschaft“. Lang Lang legte gleich los mit einer ungewöhnlichen Programmfolge. Der erste Teil widmete sich Kompositionen, die dem klassischen Schema in Aufbau und Tonalität nicht so ganz entsprachen. Claude Debussys „Ballade slave“ von 1891 erinnerte mit ihren unkonventionellen Abweichungen von der bisher gültigen harmonischen Norm noch ein wenig an seine Eindrücke der Russland-Reisen und der Begegnungen mit dem „Mächtigen Häuflein“.

Gefordertes Publikum

Franz Liszts große Sonate h-moll von 1853 löste das bisher gültige Sonatenform-Schema der Klassik ganz auf durch 15, aus dem Hauptthema des Anfangs entwickelten kleineren Sätze und durch einen im großen Bogen verbundene Form; Liszt selbst sagt dazu, dass er die Form und den Stil „…erweitert, zerbricht, neu erschafft und gestaltet“. Das hat zur  Entstehungszeit nicht jedem gefallen, ist ungewöhnlich und fordert auch heute vom Publikum einiges an Aufmerksamkeit. Als Vorbereitung darauf aber eignet sich Debussys Ballade vorzüglich, denn auch hier entspricht vieles nicht den Erwartungen. Lang Lang setzte also an den Anfang des Abends dieses Werk als ein ganz vom poetischen Geist durchdrungenes Klavier-Gedicht, weich, von sanfter Melancholie getragen, in großem Bogen mit feinem Perlen fließend und oft ganz introvertiert.

Gedankenspiele an den Tasten

Dagegen begann Liszts Sonate rau, bohrend, heftig aufbrausend, in starkem Zugriff, in irrwitzig furiosen Tasten-Kaskaden. Der Pianist zeigte hier das Ganze als Gedankenspiele, als inneres Zerrissensein zwischen romantischen Träumereien, die sich aber auflösen in heftige Ausbrüche, in majestätische Akzentuierungen. Alles wird zusammengehalten durch flirrende Figuren, Trillerflächen, kristallines Perlen, um dann wieder zu Schwärmerischem, Freundlicherem zu gelangen. Wie Lang Lang diese innere Bewegung, durchsetzt von untergründigen Strömungen, immer wieder anders entwickelte durch Tempoverschiebungen – bevorzugt um für Introvertiertes Ruhe zu haben - , durch Klangstärke-Varianten und Farbwechsel, ohne je trotz gelegentlichen Tastengewitters vordergründig virtuos zu erscheinen, war ein Erlebnis.

Tanz auf Tasten

Der zweite Teil des langen Konzertabends war Spanien gewidmet, vielleicht eine Hommage an den (Kissinger) Sommer. Bei den sechs Sätzen aus der „Suite Espagnola“ op. 47 von Isaac Albéniz imponierte Lang Lang zuerst mit der Delikatesse seines Anschlags, ließ Sonniges aufleuchten und Melancholisches durchscheinen, zeigte dann tänzerisches Temperament, lächelte bisweilen verklärt, zeigte bei den vor rhythmischer Spannung vibrierenden Stellen – da hätte man sich noch Kastagnetten dazu gewünscht – auch stolzen Ausdruck und schien hin- und hergerissen zwischen heiterer Laune, Vorandrängen und Beherrschung der inneren Bewegung. Die „Goyescas“ op. 11 des Albeniz-Zeitgenossen Enrique Granados, aus denen Lang Lang zwei Stücke ausgewählt hatte, imponierten mit einem stark rhythmisierten, in sich fast bis zum Zerreißen gespannten Fandango, klangen aber sehnsuchtsvoll träumerisch aus, vom Pianisten geradezu in sich versunken zelebriert. Das passte zu Manuel de Fallas „Danza ritual“ aus dem Ballett „El amor brujo“. Dessen introvertierter Beginn verdichtete sich bei leuchtenden Trillern und starken, nie zu lauten Betonungen zu einer in sich poetischen Erzählung; alles steigerte sich immer intensiver zu einem mitreißenden, vor innerem Schwung bebenden Tanz auf den Tasten. Langer, lauter Jubel im Saal mit begeisterten Bravo-Rufen und stehenden Ovationen, Blumen, Verbeugungen, Hand aufs Herz, Grüße ans Publikum und für die scheidende Intendantin, wie immer mit Hütchen, ein packender „Liebestraum“ von Liszt als Abschiedsgruß und für die vielen Verehrer im Saal noch ein bisschen furioser Gershwin. (Renate Freyeisen)            

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