Kultur

Bei „Das Tor der Nacht“ (1921) hat Klee eine Zeichnung zerschnitten und auf einem Karton neu kombiniert. (Foto: Zentrum Paul Klee, Bern)

16.03.2018

Rational und rätselhaft

Eine phantastische Ausstellung in der Pinakothek der Moderne zeigt Paul Klees „Konstruktion des Geheimnisses“

Kann man Geheimnisse konstruieren? Passen das Technisch-Kalkulierte und das Rätselhaft-Unbegreifliche zusammen? Sehr gut, könnte man angesichts von Smartphones und Tablets meinen, die jedem Nicht-Informatiker wie Zauberkästchen vorkommen müssen. Zu Zeiten Paul Klees aber erschien seine Formulierung „Konstruktion des Geheimnisses“ höchst widersprüchlich und bezog folglich aus ihrer inneren Spannung beträchtlichen poetischen Reiz – so wie viele Bildtitel Klees, die stets integraler Bestandteil der Werke dieses Klassikers der Klassischen Moderne sind.
Wenn die grandiose, gar nicht hoch genug zu preisende Paul-Klee-Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne jetzt ebenfalls Konstruktion des Geheimnisses heißt, kann dieser gut gewählte Titel zudem als unfreiwillig selbstironischer Hinweis darauf gewertet werden, dass die 150 Werke umfassende Schau sich selbst auch noch, wie es der Brauch ist, mit glänzendem Thesen-Prunk die magische Aura des Hochakademischen konstruiert.
Die These oder, wie man heute fast zu sagen geneigt wäre, das „Narrativ“ der Ausstellung lautet: Paul Klee (1879 bis 1940) war nicht nur der weltabgewandte Romantiker, der in sich versponnene, geheimnisvolle Bildwelten erschuf. Vielmehr war er auch ein wacher Zeitgenosse, der damals gängige Kunstströmungen wie Kubismus, Konstruktivismus und andere sehr wohl wahrnahm und auf sie in seinem eigenen Werk reagierte – speziell natürlich in seiner Zeit als Lehrer am Bauhaus, das ja für eine eher rational-konstruktive, auch aufs Praktisch-Angewandte zielende Auffassung von Kunst steht.
Obwohl Klees Bauhaus-Jahre den Schwerpunkt der Ausstellung bilden, umfasst sie auch sein früheres und späteres Schaffen. Anhand durchgängiger, für sein Werk insgesamt kennzeichnender „Leitmotive“, wie es der Ausstellungskurator Oliver Kase nennt, will die Schau zeigen, dass bei Klee „das Rationale immer ins Mystische, Geheimnisvolle umschlägt“, dass sich „romantische Tradition und Moderne“ in seinem Werk vereinigen.

Zarte Ironie

Nun stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es überhaupt stimmt, dass Klee bisher als bloßer Jenseitsweltenbauer wahrgenommen wurde, als metaphysisch angehauchter Märchenonkel, gar als Spitzweg des Surrealismus. Trat vielmehr nicht immer schon als entscheidendes Merkmal seiner Kunst jene flirrend-elementare Komik, jene zarte Ironie hervor, in der sich Rationalität und Rätselhaftigkeit gegenseitig persiflieren? Und ist er damit nicht viel moderner, „unromantischer“ als alle Bauhäusler strenger Observanz, die inbrünstig dem Pathos des rechten Winkels frönten?
Wie auch immer, die Darstellung der verschiedenen „Leitmotive“ von Klees Werk in dieser Präsentation erweist sich als ausgesprochen anregend, weil sie auf der Ebene der kunsthistorischen Reflexion genau jene spielerische Haltung nachahmt, die auch Klees Bilder so amüsant erscheinen lässt. Jeweils ein Ausstellungsraum ist jedem dieser Leitmotive gewidmet, die eben, das ist das Reizvolle, nicht nur thematisch bestimmt sind, sondern auch formal. Ja mehr noch, das Inhaltliche ist bei ihnen oft vom Formalen überhaupt nicht zu trennen, sondern erwächst überhaupt erst aus ihm.
So sind etwa dem Leitmotiv „Geplante Bauten“ nicht nur Arbeiten zugeordnet, auf denen man stilisierte Architekturelemente wie Häuser oder Säulen erkennt, sondern auch solche Bilder, die mit ihrer geometrisch-tektonischen Linienstruktur den Gestus der technischen Zeichnung zitieren und zugleich in eine autonome Gestalthaftigkeit verfremden. „Stufung“ ist ein anderes Leitmotiv benannt: Die Ausstellungsmacher vereinen im entsprechenden Raum Bilder, die aus kleineren Farbflächen oder aus chromatisch abgestuften Streifen aufgebaut sind. Andererseits finden sich ebensolche Werke auch in dem Raum, der dem Leitmotiv „Das Tor zur Tiefe“ gewidmet ist, sodass sich über Sinn oder Beliebigkeit der gesamten Leitmotiv-Rubrizierung so trefflich wie produktiv streiten ließe. Ohne dass der Betrachter dadurch davon abgehalten wird, sich in einer Art staunendem Erkennen dem Zauber von Paul Klees solitären Formprägungen anzuvertrauen. (Alexander Altmann) Information: Bis 10. Juni. Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München. Tgl. außer Mo. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr. www.pinakothek.de

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