Kultur

"Eisenstein": Eine eindringliche Familiensaga.(Foto: Theater Regensburg)

27.01.2012

Realismus und Minimalismus

Zwei unterschiedliche zeitgleiche Inszenierungen von "Eisenstein" in Ingolstadt und Regensburg

Christoph Nußbaumeder ist einer der talentiertesten deutschsprachigen Dramatiker. Jetzt ist sein Stück Eisenstein gleich an zwei bayerischen Theatern zu sehen; zeitgleich hatte es Premiere in Regensburg und Ingolstadt. Und in beiden Versionen zeigen sich Kraft und Eindringlichkeit einer Familiensaga, die sich über ein halbes Jahrzehnt erstreckt und drei Generationen behandelt. Für die Theater ist das eine Herausforderung, die beide Häuser in je dreistündigen Inszenierungen souverän meisterten.
Eisenstein handelt vom Unglückspotenzial, das von Lebenslügen ausgehen kann. Und es ist eine gewaltige Lebenslüge, die zwei Familien zerrütten. In Eisenstein im Bayerischen Wald beginnt mit der Liebe zwischen Georg Schatzschneider und Gerlinde Hufnagel ein Drama um eine Zweisamkeit, die überschattet ist von der Möglichkeit, dass beide denselben Vater haben. Es geht in dem Stück um Wahrheitsfindung, um Menschen, die um ihr Glück gebracht werden und darum, wie in jeder Familie auch Not und Tod zu Hause sind. Es ist, überzeugend traditionalistisch, ein Theaterabend, der die großen Schicksale behandelt.
Nußbaumeder hat die Kraft für diese lange Geschichte, weil er sie völlig unprätentiös und ohne irgendwelche Manierismen entwickelt, mit gut funktionierenden, nie geschwätzigen Dialogen, kompakten Erzählsträngen und ohne je in die Gefahr zu geraten, den eigenen Stoff hintersinnig deuten zu wollen. Da befindet sich der gebürtige Eggenfeldener in der Tradition eines Martin Sperr, einer Marieluise Fleißer. Deshalb passt das Stück gut nach Ingolstadt, wo es Donald Berkenhoff inszeniert hat. Seine Regie unterfüttert die Handlung mit starkem, realistischem Zugriff, der bekommt zunehmend Tempo vor allem durch die Darsteller beiden zentralen Figuren, Richard Putzinger als Georg und Julia Maronde als Gerlinde.
Einen anderen Weg geht die Regie von Jochen Schölch in Regensburg. Er hat in seiner Interpretation von Eisenstein allen Naturalismus entfernt. Die Bühne (von Hannes Neumaier) besteht nur aus einigen Schrägen, auf Requisiten wird verzichtet, selbst Türen öffnen und schließen sich unsichtbar; im Hintergrund sitzen die gerade nicht involvierten Schauspieler und untermalen die Handlung mit Geräuschen. Es gibt nichts, was vom Text ablenkt. Und das funktioniert so gut, dass der sich in seiner ganzen Dramatik, seiner wunden Traurigkeit und seinen überraschenden Volten völlig ungefiltert mitteilt; er erfährt durch die Konzentation aufs Wesentliche seine Wucht.
Denn alle Konzentration der Regie liegt beim beeindruckenden Ensemble. Das, allen voran Nikola Norgauer als Gerlinde und Hubert Schedlbauer als Georg, spielt präzise, konzentriert, intensiv, – und dabei leise, subtil, ohne jede Anwandlung schriller Töne. Beerdigungen schaffen deutliche Zäsuren in dieser Geschichte vieler Leben; die Gestorbenen streifen sich die Schuhe ab und stellen sie an den Bühnenrand, wo sie für den Rest des Abends stehen bleiben: Auch so kann man ablaufende Zeit zeigen. Beide Inszenierungen beweisen: Das Stück gehört zu den Höhepunkten der bisherigen Theatersaison in Bayern. (Christian Muggenthaler)

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