Kultur

Léonor (Elina Garanca) ist zwischen die Fronten von weltlicher und geistlicher Macht geraten. (Foto: Wilfried Hösl)

28.10.2016

Religiöser Deko-Schick

Amélie Niermeyers Inszenierung von "La Favorite" am Nationaltheater bleibt einfallslos

Die Wände bewegen sich fast unaufhörlich. Einmal weiten sie den Bühnenraum, dann wieder engen sie die Szene bedrohlich ein. Das bekommen die handelnden Personen zu spüren. Sie wandeln entweder im weiten, leeren Raum, oder sind auf sich selbst zurückgeworfen – klaustrophobisch eingeengt. Die Wände, im Grunde riesige Gitter, stehen für die soziale Umgebung, die den Menschen unmittelbar prägt. Manchmal formen sie regelrecht Vitrinen: In ihnen wird die Religion ausgestellt – eine Madonna etwa oder ein Jesus, der mit Dornenkrone an einem Kreuz hängt. Bedeutungsschwer signalisieren solche Bilder: Hier ist die Gesellschaft von der Religion geprägt. Sie besiegelt Schicksale.

Handlung stagniert

So inszeniert Regisseurin Amélie Niermeyer mit dem Bühnenbildner Alexander Müller-Elmau die Oper La Favorite von Gaetano Donizetti am Münchner Nationaltheater. Für ihr Regiedebüt dort möchte Niermeyer eine Art Kammerspiel erschaffen. Doch bald schon gähnt spiel- und handlungslose Stagnation, und schlimmer noch: Die Zeichen und Symbole in den riesigen Vitrinen verkommen zu Deko-Schick. Man hätte eine packendere, neue Sicht erwartet – gerade aus weiblicher Sicht. Immerhin geht es um Léonor (Elina Garan(c)a), die zwischen weltliche und geistliche Machtgefüge gerät – von Männern gemacht. Der Zisterzienser-Novize Fernand (Matthew Polenzani) verliebt sich in sie, was der Prior Balthazar (Mika Kares) erwartungsgemäß nicht gut findet. Als Feldherr kämpft nun Fernand in der Schlacht gegen die Mauren derart ruhmreich, dass er beim kastilischen König Alphonse (Mariusz Kwiecien) um die Hand von Léonor anhält. Was er nicht weiß: Léonor ist die Mätresse des Königs. Balthazar hat sie und das Konkubinat von Alphonse als unchristlich verflucht. Inès (Elsa Benoit), die Vertraute Léonors, versucht zwischen diesen Welten zu vermitteln – ohne Erfolg. Am Ende bricht Léonor tödlich zusammen, obwohl Fernand ihr schließlich doch wieder ewige Liebe schwört. Manche Wendungen in diesem Vierakter sind eben ziemlich bizarr.
Der wohl stärkste Einfall der Regie ist der Umgang mit der Ballett-Einlage: Zwar erklingt die Musik, aber es wird nicht getanzt. Man sieht nur den König und seine Favoritin, die im raffinierten Lichtspiel (Michael Bauer) eine Pantomime zwischen Nähe und Distanz gestalten.

Laut und effektgeladen

Sonst aber fällt der Regie nicht viel ein, und die musikalische Leitung von Karel Mark Chichon schafft leider wenig Abhilfe. Das Bayerische Staatsorchester klingt irritierend laut und effektgeladen, mit recht behäbigen Tempi. Chichon gelingt es nicht, den Farbenreichtum der Partitur stilgerecht und differenziert herauszustellen – mit teils fatalen Folgen für den Gesang. Selbst der an sich strahlend-schlanke Tenor von Polenzani muss vielfach gegen das Orchester ankämpfen. Auch Kwiecien und der samten-sonore Bass von Kares können sich kaum entfalten. Etwas eintönig schließlich die Star-Mezzosopranistin Garanca: Die stimmungsvollen Wechsel zwischen dem Lyrischen und Dramatischen bleiben mitunter zu matt. Ein differenzierter, farbenreicher Belcanto im ursprünglichen Sinn gelingt vor allem Benoit als Inès. (Marco Frei)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.