Kultur

Der Hans Sachs-Chor rückt in der konzertanten Aufführung von Lortzings "Hans Sachs" mehr und mehr in den Vordergrund. (Foto: Hans Sachs Chor)

24.06.2016

Revoluzzer Sachs

Der Hans Sachs-Chor und die Nürnberger Symphoniker führen Lortzings "Hans Sachs" konzertant auf

Eine höhere Gerechtigkeit siegt:  Der Kaiser,  das Volk von Nürnberg. Hans Sachs bekommt des Goldschmieds Töchterlein, der ortsfremde Bewerber mit dem griechischen Namen Eoban („der von der Sonne kommt“) blamiert sich bis auf die Knochen: Augsburger Konkurrenz. Und das Ganze ist vor 1848 eine Demonstration revolutionär-nationaler Ideen und Wünsche. Albert Lortzing („Zar und Zimmermann“, „Der Wildschütz“) war so ein 48er Revoluzzer, und der Stoff um den Volkspoeten Hans Sachs kam ihm gerade recht. Natürlich wurde die Endfassung dann auch im „Nationaltheater“ Mannheim uraufgeführt. Jetzt war es für den 125 Jahre alten Hans-Sachs-Chor Nürnberg eine Ehrenpflicht, die Vor-„Meistersinger“-Oper zum Jubiläum einzustudieren: zwei Mal für den romantisch begrünten Nürnberger Serenadenhof und mit den Nürnberger Symphonikern. Natürlich gehen einem dabei Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ nicht aus dem Sinn: Die haben sich nicht wenig bei Lortzing bedient – aber dann ist doch vieles wieder ganz anders. Denn ihr nationales, bürgerlich-revolutionäres Anliegen verpacken Lortzing und Philipp Salomon Reger in das Libretto eines biederen Singspiels. Wagner hat später Sachs und Stolzing zu Hauptpersonen und entscheidenden Trägern seiner Musik gemacht - bei Lortzing sind sie eine einzige Person: Der Schuster wirbt um die echt fränkische Kunigunde (später: Eva) und kriegt sie auch, Stolzing – Fehlanzeige. Die Tenorfarben bringt mit zwei schönen Arien der Schusterbub Görg ins Spiel (Dino Lüthy). Von der Ouverture an ist der Hörer von heute hin- und hergerissen zwischen Lortzing und Wagner: „Hans Sachs“ führt bieder seine Motive in der Ouverture vor, danach kein strenger Gemeinde-Choral, sondern ein Volks-Tralala, und dem Sachs geht es bei Lortzing  ziemlich dreckig. Sogar aus der Stadt wird er von den sturen Patrizier-Pfeffersäcken  verbannt,  und wenn nicht Kaiser Maximilian I. die schützende Hand über Sachs und die Dichtkunst hielte – wer weiß. Der Opernpraktiker Lortzing hat wenig eingängige Arien für sein Drei-Akte-Stück geschrieben, aber sehr hübsche Ensembles, lässt sich ganz unverständlich die Preis-Lied-Chance entgehen. Das stramm nationale Gedicht übers teure und treue Vaterland wird rezitiert. Fehler kann der Textklauer Eoban trotzdem genug dabei machen. Je länger das Stück dauert, umso mehr rücken die Anliegen der Vor-48er in den Vordergrund: bürgerliche Freiheiten („Ein freier Mann, der sagen kann, was er denkt“), Kampf den verkrusteten patrizischen Herrschaftsstrukturen, sogar als Kämpfer für die Frauenrechte tritt Sachs auf und will  „Ketten brechen“. Und wenn am Ende der Kaiser in den Ruf ausbricht: „Hoch lebe Sachs!“, dann sind Lortzing Sehnsüchte erfüllt. Auf der Bühne – denn seine Biografie spricht eine viel weniger glückliche Sprache. Die Nürnberger Symphoniker unter Guido Johannes Rumstadt haben sich der Partitur liebevoll angenommen, der Hans-Sachs-Chor rückt in „Hans Sachs“ weniger lautstark als singspielhaft-romantisch mehr und mehr in den Vordergrund. Leider aber bleibt  auch für Sänger wie Martin Berner und Katrin Adel die  nur konzertante Aufführung  ein unbefriedigendes  Skelett. Trotzdem: Heute Abend gibt es "Hans Sachs" noch einmal als herrliches Sommervergnügen mit interessantem politisch-historischen Hintergrund. (Uwe Mitsching)

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