Kultur

Gunther Eckes als konfliktfreier Fußballgott Philipp Lahm. (Foto: Julian Baumann)

22.12.2017

Saukomische Langeweile

Im Münchner Marstall erfährt man, wie Philipp Lahm ist, wenn er nicht kickt

Wie ist der Spitzenfußballer Philipp Lahm, wenn er gerade nicht über den Rasen rast? Antwort: so stinknormal, „dass es weh tut“. Das behauptet jedenfalls der preisgekrönte Nachwuchsdramatiker Michel Decar in seinem jüngsten Werk, das schlicht Philipp Lahm heißt. Dieses herrlich durchgeknallte Dramolett, das im Marstall des Münchner Residenztheaters uraufgeführt wurde, stellt den bekannten Kicker als Inkarnation der Durchschnittlichkeit dar. Und das ohne jede Ironie. Folglich sieht man in Robert Gerloffs Durchschnittsinszenierung links auf der Bühne (Maximilian Lindner) ein Durchschnittswohnzimmer samt Flachbildfernseher an der Wand und allerhand Nippes im Regal. Hier lebt Philipp Lahm und geht lauter alltäglichen Beschäftigungen nach. Er trinkt Maracujasaft-Schorle, macht ein Dino-Puzzle, surft im Internet (natürlich nur auf vertrauenswürdigen Webseiten) oder bereitet seine Steuererklärung vor – aber nur drei Sekunden lang, laut Regieanweisung. Denn gerade daher rührt die Komik von Michel Decars Groteske, dass sie zum größeren Teil aus absurden oder bis zur Absurdität banalen Regieanweisungen besteht. Ein bisschen Text gibt es aber schon auch für den Darsteller. Der heißt Gunther Eckes, trägt einen kurzhosigen dunklen Anzug mit aufgenähten Muskelpolstern, dazu Krawatte und Kickerkniestrümpfe. Er gibt den konfliktfreien Fußballgott als freundlichen Dauergrinser ohne Arg. Tatsächlich entpuppt sich der Lahm, den der 1987 in Augsburg geborene Autor da zeichnet, als eine Mischung aus Gandhi und Max Mustermann. Seine Lebensregel lautet nämlich „Fernsehen und früh schlafen gehen“, wobei er insbesondere die Programme von arte und 3sat empfiehlt. Wichtig ist des Weiteren: keine Werbung für Waffenhersteller, Radfahren immer nur mit Helm sowie selbstredend „keine minderjährigen Prostituierten“. Und überhaupt gilt: „Keine Abgründe. Keine Sorgen. Keine Abstürze. Keine Lügen.“ Dem folgt deutscher Gesang, denn unser Held intoniert das Lied „Ich bin für die EU“, in dem sich etwa die bewegende Zeile „Dezentrale Machtstrukturen sind der Knaller“ findet.

Frei von Kritik

Man darf sich über dieses Dada-Scherzo übrigens ohne jede Suche nach kritischer Relevanz amüsieren. Besteht das Prinzip dieses Stücks doch darin, ostentativ und lustvoll in die selbst gestellte dramaturgische Abseitsfalle zu gehen: Gerade durch die exzessive Darstellung des Unspektakulären werden Normalität und Langeweile plötzlich saukomisch. Aber natürlich funktioniert das nur, weil und solange es die absolute Abweichung von dem darstellt, was man im Theater erwartet. (Alexander Altmann)

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