Kultur

Detail einer der Devotionalien (vergrößerte Abbdildung) aus dem Kästchen, das sich im Grundstein befand. (Foto: Peter Ferstl)

23.02.2018

Schätzchen aus dem Kästchen

In Regensburg hat man den Grundstein eines längst in Vergessenheit geratenen Klosters ausgegraben

Die Voglin, die Zwieklin, die Khornbergerin, die Multzerin, die Schwaigerin und die Voglriederin übergeben dem Erdreich Devotionalien. Im Jahre des Herrn 1679.
Knapp 350 Jahre später. Wenn man in einer derart in der Vergangenheit wurzelnden Stadt wie Regensburg Boden ankratzt, taucht fast zwangsläufig etwas geschichtlich Bedeutsames auf. Das gilt vor allem, wenn etwas bewusst deponiert worden ist: Wie jene kleine, jüngst gehobene Botschaft an die Nachwelt, die wie eine Flaschenpost im Erdreich steckte.
Weil bei Bauarbeiten auf historischem Gelände Archäologen immer „drüberschauen“, wie Lutz Dallmeier sagt, zuständig für Bodendenkmalpflege im Regensburger Amt für Archiv und Denkmalpflege, geriet bei Brunnenschachtarbeiten neben dem Parkplatz am Dachauplatz ein Stein ins Interesse der baubegleitenden Archäologin Sabine Watzlawik. Der Baggerfahrer musste eine Pause einlegen.
Der Stein sah aus wie ein X-beliebiger Baustein aus der Römerzeit, nicht weiter spektakulär. Ein großes Wunder wäre der Römerstein an dieser Fundstelle nicht, neben diesem Parkhaus, das teilweise die alte Festungsmauer der Castra Regina Marc Aurels überbaut. Nur ist der Stein eben ausgehöhlt. Und in der Aushöhlung sitzt passgenau ein Bleikästchen. Das wiederum enthält allerlei kleine Dinge: Münzen, Kreuz, Figürchen. Ein Schatz, wenn auch ein kleiner.
Kurze Zeitreise: Ab dem 13. Jahrhundert hatte eine Nonnengemeinschaft in Regensburg gesiedelt, die sich den Klarissinnen anschloss. Sie hatte ihr Kloster dort, wo heute besagtes Parkhaus ist und einst die Römermauer verlief: am Rand der Stadt. Im Krieg der Franzosen und Bayern gegen österreichische Truppen im Jahr 1809, die Regensburg besetzt gehalten hatten, wurde am 23. April in der „Schlacht von Regensburg“ das Kloster durch Feuer so beschädigt, dass es nie wieder aufgebaut wurde. Eine Weile noch wurde die Gegend „Klarenanger“ genannt. Dann erlosch die Erinnerung.

Teurer Neubau

Die Historiker wussten natürlich immer um das Kloster, Schriftliches ist durchaus erhalten. So etwa über einen großen Bau im Jahr 1679, der 7900 Gulden gekostet hat, in heutiger Währung rund eine Million Euro, erstaunlich viel Geld für die Krisenzeit am Ende des Dreißigjährigen Kriegs, sagt der Regensburger Archäologe Johannes Sebrich. Und als dieser Bau, mutmaßlich ein Lückenschluss zwischen einstiger Abtei und einstiger Kirche, begonnen wurde, machte man das, was man heute noch tut: Man legte einen Grundstein. Mit kleinen Beigaben. Im Regensburger Diözesanarchiv gibt es sogar eine diesbezügliche Rechnung: 44 Kreuzer genommen habe ein Zinngießer für ein „Pleyenes Vläschl“, also jenes Bleikästchen, das nun wieder aufgetaucht ist.
Darin fanden sich: Münzen, ein Glasflakon, Amulette, Heiligenfigürchen. Lederreste, Pergamentfragmente und Kreuze, darunter ein sogenanntes Caravacakreuz, ein Mitbringsel aus dem spanischen Wallfahrtsort Caravaca de la Cruz. Eine Devotionalie, mutmaßlich mitgebracht von einer Pilgerreise. Viele dieser Schätzchen aus dem Kästchen dürften derartige Devotionalien gewesen sein, vermutete Sebrich bei einer Übergabe in der vergangenen Woche, bei der die Stadt dem Bistum Regensburg Kästchen und Inhalt schenkte.
Für die Geberinnen hatten die Beigaben sicher hohen ideellen Wert. Offenbar gab jede einzelne Schwester des Konvents zu Baubeginn etwas für den Grundstein her. Und man kennt auch deren Namen. Denn die kleine Schatulle hat einen doppelten Boden, darin eine Bleiplatte mit einer Namensliste der Geberinnen: Frau Anna Catharina Voglin, die Äbtissin. Frau Catharina Cacilia Zwieklin, die Priorin. Schwestern wie die Khornbergerin, die Multzerin, die Schwaigerin, die Voglriederin.
Jetzt müssen die Funde restauriert werden, bevor sie in der Fundsammlung der Diözese Regensburg der Öffentlichkeit präsentiert werden können. Viele Fragen sind noch offen. Einige werden wohl kaum je beantwortet werden können, zum Beispiel jene, die Maria Baumann, Leiterin der Fundsammlung, hinsichtlich des Glasflakons und seines Inhalts aufwarf: „War es Weihwasser? War es Klarissengeist?“ (Christian Muggenthaler)

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