Kultur

Skulpturen des Kaiserpaars an der Adamspforte des Domes. Heinrich trägt die Reichsinsignien, Kunigunde ein Modell des ersten – noch zweitürmigen – Domes. (Foto: Aarchiv des Bamberg Tourismus & Kongress Service)

04.05.2012

Schatz für die Ewigkeit

Bamberg erinnert an die Domweihe vor 1000 Jahren: Heinrich II. etablierte nicht nur ein neues Bistum, sondern auch einen bedeutenden Bildungsstandort

Die Bamberger Domweihe war ein Schaulaufen aller, die Rang und Namen hatten. Das war 1012. Ein Jahrtausend später, auf den Tag genau am 6. Mai, feiert Bamberg das Weihejubiläum. Und wieder kommen hohe Würdenträger aus Nah und Fern. Ausstellungen erinnern daran, wie konsequent der spätere Kaiser Heinrich II. „sein“ Bistum Bamberg protegierte.
Heiliger und Räuber! Auch wenn er für diesen Gedanken Buße tun musste, konnte ihn sich mancher Zeitgenosse Heinrichs II. bestimmt nicht verkneifen. Der nachmals (im Jahr 1146) heiliggesprochene Kaiser war bekannt dafür, dass er sich vielerorts die auserlesensten Schätze „aneignete“: „... da beraubte er, wenn auch bittend, viele Orte solange, bis er seinen Ort über alle Maßen reich gemacht hatte“, heißt es vorwurfsvoll zum Beispiel in der Chronik (um 1150) des heute baden-württembergischen Klosters Petershausen.
„Hier leuchtet die Fülle des Silbers mit Bergen von Gold, unterschiedliche Edelsteine liegen neben schimmernden Seidenstoffen“, schwärmte dagegen Abt Gerhard von Seeon, der als Zeitzeuge Heinrichs den Ort, an dem der letzte Ottonenherrscher alles zusammentrug, hochgreifend lobpreiste als „Haupt der Welt“ („ hier ist aller Ruhm gegründet“) und obendrein würdigte als „Stadt der Bücher“.
„Sein Ort“, das war Bamberg. Dort trug Heinrich II. einen Schatz zusammen, der über die Jahrhunderte zwar dezimiert wurde, der aber noch immer von seiner einstigen Weltbedeutung zeugt. So gibt es in Bamberg eine Bibliothek, die einzige erhaltene kaiserliche aus dem Hochmittelalter, die an ihrem ursprünglichen Ort zu finden ist und die eine paläografische Vielfalt ohnegleichen auszeichnet.

Gedenkort fürs Seelenheil

Heinrich hatte Bamberg im Jahr 995 von seinem Vater Heinrich dem Zänker zusammen mit dem Herzogtum Bayern geerbt. Dass der befestigte Ansitz über der Regnitz schon damals nicht nur ideell, sondern auch materiell wertvoll gewesen sein muss, lässt sich nicht zuletzt daraus ableiten, dass Heinrich Bamberg seiner Gemahlin Kunigunde als Wittum überschrieb, also als Morgengabe, die ihren Unterhalt im Witwenfall absichern sollte. Später tauschte Kunigunde diesen Rechtsanspruch gegen das Königsgut Kassel ein.
Damit war für Heinrich, der sich mit einer gehörigen Portion Chuzpe 1002 zum König des Ostfrankenreichs hatte krönen lassen, der Weg frei, die Bamberg systematisch zur Königs- und Bischofspfalz auszubauen. Zwar gehörte die Absicherung von Klöstern und Bistümern auch andernorts zur Festigung seines Herrschaftsgebiets, wie konsequent er dies jedoch in Bamberg bis zu seinem Tod 1024 tat, blieb einzigartig. Vielleicht leiteten ihn nicht nur geopolitische Überlegungen, sondern auch ganz persönliche: Zum einen wird ihm der Ort, den er von Jugend an kannte, einfach gefallen haben. Zum anderen war da noch der Wunsch, sich einen eigenen Gedenkort für die Bitte um sein Seelenheil nach seinem Tod zu schaffen, der noch nicht durch andere bedeutendeNamen „vorbelastet“ war.
Binnen weniger Jahre schuf Heinrich die Voraussetzung dafür, dass Bamberg beinahe zwangsläufig als Bistum anerkannt werden musste: Ein entsprechend repräsentativer Kirchenbau war über der ehemaligen kleineren Burgkirche bereits in vollem Gang, durch seine „Sammelaktion“ ebenso wie durch Zuwendung aus seinem privaten Besitz sicherte er das Projekt materiell ab. Letztlich warf er sich den Bischöfen während der Reichssynode 1007 gar noch zu Füßen – da konnten die Kirchenoberen gar nicht anders, als der Bistumsgründung zuzustimmen. Aber es war ohnehin ein Geben und Nehmen: Das kinderlose Königspaar setzte die Kirche als seinen privaten Erben ein. Das Nachsehen hatte allerdings der Würzburger Bischof: Für die Zustimmung zur neuen Konkurrenz in dessen östlichem Machtbereich hatte ihm Heinrich voreilig die Erzbischofswürde in Aussicht gestellt, dann wäre das neue Bistum Bamberg ihm unterstellt gewesen. Aber der Würzburger ging leer aus. Eine würdige Beförderung erfolgte dagegen für des Königs Kanzler und wichtigsten Berater Eberhard: Er wurde der erste Bischof Bambergs.

Einzigartiges Schaulaufen

Und dann der 6. Mai 1012, Heinrichs Geburtstag – ein progammatischer Termin! „Sein“ Dom zu Bamberg wurde geweiht. Es war ein Schaulaufen der Kirchenfürsten aus dem ganzen Reich. Die Chronisten sprechen mal von mehr als 30, dann wieder von annähernd 45 Erzbischöfen und Bischöfen. Und dann noch die weltliche Prominenz! Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Fest wurde dieses eventuell größer dargestellt, als es tatsächlich war, was aber letztlich belegt, welch hohe Bedeutung diesem Akt der Domweihe auch in späterer Zeit beigemessen wurde. Merkwürdig bleibt, dass die Fest-Chronisten eine entscheidende Person an Heinrichs Seite nicht erwähnen: Seine Frau Kunigunde, die ja gleichermaßen Stifterin und enge Beraterin des Königs bzw. Kaisers war.
1000 Jahre später, wiederum am 6. Mai: Erneut ist der Dom Bühne für ein großes Fest, das anlässlich des Millenniums jegliche vorherige „Kerwa“ in den Schatten stellen soll: Der heutige Erzbischof Ludwig Schick empfängt gut zwei Dutzend Bischöfe und Äbte, natürlich kommen auch namhafte Politiker. Seit gestern lässt eine Sonderausstellung im Diözesanmuseum unter dem Motto Dem Himmel entgegen mit rund 200 Exponaten 1000 Jahre Bamberger Dom Revue passieren. Ausstellungsbesuchern bietet sich die einmalige Chance, sonst verschlossene Orte des Domes zu besichtigen: zum Beispiel die Westkrypta mit Bauteilen aus dem ersten Dombau, der 1081 und 1185 von verheerenden Bränden weitgehend zerstört wurde.

Gewiefter Taktiker

Anzunehmen ist, dass die Gäste Anno 1012 nicht mit leeren Händen kamen. Und was lag näher, als dem hochgebildeten König ein wertvolles Buch mitzubringen? Archivalisch belegt sind solche Präsente zwar nicht, aber doch wahrscheinlich. Ein gewöhnlicher „Räuber“ war Heinrich keinesfalls, viele der in Bamberg zusammengetragenen Handschriften werden ihm vermutlich als „Staatsgeschenke“, in vorauseilendem Gehorsam oder in der Hoffnung auf eine Gunsterweisung überlassen worden sein.
Heinrich raffte auch nicht einfach zusammen, was er kriegen konnte, schon gar nicht für eine persönliche Hofbibliothek. Nein, er und seine Berater waren gewiefte Taktiker: Quasi aus dem Nichts und in Kürze musste das neue Bistum den traditionsreichen und mächtigen anderen Bistümern im Reich ebenbürtig gemacht werden. Eine prächtige (damals übrigens bunt ausgestaltete) Kathedrale genügte da nicht. Deshalb machte Heinrich Bamberg zugleich zu einem neuen Bildungsstandort von überregionaler Ausstrahlung: An der Bamberger Domschule wurde für höhere Ämter in Kirche und Reich ausgebildet.
Dazu brauchte es eine „handfeste“ Bibliothek – und diese ist gerade in der heute bis zum Überdruss bemühten Diskussion über den Aufbewahrungsort einiger weniger reich mit Gold, Edelsteinen und Elfenbein geschmückter sowie aufwändig illustrierter liturgischer Handschriften, von denen einige als UNESCO-Weltdokumentenerbe deklariert wurden, zu Unrecht in den Schatten gerückt.
Die Prunkbände wurden dem Domschatz zugewiesen und nur gelegentlich präsentiert, zum Beispiel zu hohen Festen auf Altären zur Schau gestellt oder bei Prozessionen, Heiltümern gleich, mitgeführt. Die Dombibliothek hingegen enthielt wesentliches Unterrichtsmaterial in Form von Gebrauchshandschriften. In den Büchern, die heute weitgehend in der Staatsbibliothek Bamberg zu finden sind, konnten die Schüler das tradierte Wissen des lateinischen Abendlandes studieren, und zwar in vorzüglichen Texten, deren in Bamberg versammelte Abschriften bis auf die Spätantike zurückgingen.
Über die Anzahl der Bücher in Domschatz und Dombibliothek, die von Heinrich sukzessive zusammengetragen wurden, gibt es nur Mutmaßungen; zeitgenössische Verzeichnisse des Gesamtbestandes sucht man vergebens. Es werden aber wohl ein paar hundert Bände gewesen sein.
Auch kann man nur in wenigen Fällen sagen, welches Buch tatsächlich von Heinrich gestiftet wurde. Man weiß es zum Beispiel von einem in erlesene Seide gebundenen Evangelistar aus Seeon, das im Widmungsbild König Heinrich zeigt – bezeichnenderweise als Stifter, der Maria ein edelsteinverziertes Buch überreicht. Zwei Bände, die mit byzantinischen Elfenbeinreliefs geschmückt sind, werden landläufig als Gebetbücher des Kaiserpaares bezeichnet. Die äußere Gleichartigkeit hat offensichtlich zu der Namensgebung geführt. Allerdings können diese Handschriften nicht privater Andacht gedient haben: Es handelt sich vielmehr um Cantatorien, um Rollenbücher für den Solo-Vorsänger in der feierlichen Messliturgie.

Digitalisierungsprojekt

Die Staatsbibliothek Bamberg bezeichnet ihr von der Oberfrankenstiftung gefördertes Digitalisierungsprojekt als „Kaiser-Heinrich-Bibliothek“. Damit ist der zeitliche Rahmen abgesteckt: Digitalisiert wurden sämtliche 165 Handschriften aus dem Bamberger Bestand, die auf die Zeit vor dem Tod Heinrichs im Jahr 1024 datiert werden. Davon können einige freilich auch erst später nach Bamberg gekommen sein. Umgekehrt ist anzunehmen, dass zahlreiche Handschriften aus der „originalen“ Bibliothek im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen sind. Allerdings ist schon die schiere Menge dessen, was von den Buchstiftungen aus des Herrschers Hand noch immer vorhanden ist, überwältigend genug. Punktgenau zum Domweihejubiläum hat die Staatsbibliothek ihr ehrgeiziges Digitalisierungsprojekt vollendet: Es wurden nahezu 50 000 hochqualitative fotografische Einzeldigitalisate angefertig.
Wie exquisit einst die „Stadt der Bücher“ ausgestattet war, lässt nun im Jubiläumsjahr auch eine konzentrierte Ausstellung der Staatsbibliothek Bamberg erahnen. Schatz für die Ewigkeit hat sie ihren Beitrag zum Gedenkjahr überschrieben: In ihrer Schatzkammer zeigt sie ab dem 14. Mai eine Auswahl aus der einzigartigen Kaiser-Heinrich-Bibliothek, die sie seit der Säkularisation 1803 hütet.
Eines der neun Exponate – das luxuriös ausgestattete Sakramentar Heinrichs II., das dieser in der Regensburger Benediktinerabtei St. Emmeram in Auftrag gegeben hatte – gehört gleichfalls seit der Säkularisation zwar zum Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek in München (wie vier weitere Bamberger Prachthandschriften aus dem vormaligen Domschatz), es kehrt jedoch zum wiederholten Male an seinen einstigen Bestimmungsort zurück. Diesmal obendrein „zerlegt“, so dass gleich mehrere Blätter parallel zum Prunkeinband ausgestellt werden: Nach seiner Faksimilierung (die hochwertige Reproduktion erschien 2010) wurde dieses Hauptwerk der Regensburger Buchmalerei ottonischer Zeit nämlich noch nicht wieder gebunden.
Virtuell sind über die in der Ausstellung gezeigten Zimelien hinaus auch weitere Prachthandschriften einsehbar: In der virtuellen Handschriftenbibliothek im Foyer der Staatsbibliothek kann man sich nach Herzenslust in die Digitalisate vertiefen. (Dem Himmel entgegen. 1000 Jahre Kaiserdom Bamberg, bis 31. Oktober, Diözesanmuseum, Domplatz 5. Schatz für die Ewigkeit. Buchstiftungen Kaiser Heinrichs II. für seinen Dom, bis 11. August, Staatsbibliothek Bamberg, Neue Residenz, Domplatz 8. Die digitale Kaiser-Heinrich-Bibliothek ist kostenfrei zugänglich unter www.staatsbibliothek-bamberg.de.)
(Karin Dütsch)

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