Kultur

Ein Operetten-Charmeur wie aus dem Bilderbuch: Adam Sanchez lässt als Alfred nicht nur Rosalinde (Kristin Ebner) dahinschmelzen. (Foto: Nick von Fürstenberg)

10.02.2017

Schickimicki im Gefängnisturm

Achtungserfolg für die "Fledermaus" im Münchner Hofspielhaus

Auf einer Roten Liste, die warnt, dass man die Finger von ihr lassen soll, steht diese Fledermaus natürlich nicht. Dass manche Bühne dennoch vor ihr zurückzuckt, geschieht aus Angst, sich selbst weh zu tun: Die Ikone der Strauss’schen Operettenkompositionen hat sich dermaßen als opulentes Spektakel im Kostümrausch eines Bal paré und mit nicht enden wollendem Feuerwerk komödiantischen Klamauks in der Publikumserwartung festgekrallt – wer da nicht die Ressourcen (Etat, Ensemble) hat, lässt’s lieber bleiben. Alle Achtung, dass das Münchner Hofspielhaus nichts von vorauseilender Verzagtheit hält. Auf nur wenigen Quadratmetern und ohne Ausstattungspomp für ein gerade mal 58-köpfiges Publikum geht es in der Fledermaus-Bearbeitung von Kristina Wuss nicht um den üppigen Augenschmaus, sondern ums eher halbszenische Geschichtenerzählen – „’s ist mal bei mir so Sitte“, möchte man die Worte von Graf Orlofsky der Theaterchefin Christiane Brammer als Motto auch für diese Eigenproduktion ihres Hauses in den Mund legen.

Vom Loft in den Keller

Natürlich ist die Adresse des kleinen Theaters in der Falkenturmstraße, wo einst ein Münchner Gefängnisturm stand, eine Steilvorlage fürs Lokalkolorit: Weil er mehrmals zu schnell gefahren ist, muss Herr Eisenstein acht Tage in Haft. Passenderweise hat er es nicht weit zum Gefängnis: Er und seine Gattin Rosalinde wohnen nämlich oben im Turm – 3000 Euro kostet die Kaltmiete für 70 Quadratmeter. Schickimicki eben. Das Publikum sitzt quasi mittendrin im Eisenstein’schen Loft: Der Operettenauftakt findet im ersten Stock des Theaters statt. Dann geht’s runter zur Kellerbühne. Dort imaginiert man eher eine dekadente, schwüle Schwabinger Clubfete „for members only“ und keinen fürstlichen Ball, wenn Eisenstein vor seinem Haft-antritt beim Grafen Orlofsky noch einen drauf machen will. Im Hofspielhaus übernimmt Cornelia Lanz die Rolle des Gastgebers: Das knappe Gogo-Girl-Gold-Outfit kann sie sich zu ihren lasziven Bewegungen erlauben, in ihrem schönen Mezzo mag man die sexy Domina durchschimmern hören. Mit beachtlicher Leichtigkeit und einer Portion kesser Chuzpe gibt Sopranistin Irina Firouzi das Kammermädel Adele.

Müder Frosch

Neben diesen beiden Frauenstimmen sorgt Adam Sanchez dafür, dass man nicht nur gerne hinguckt, sondern auch aufmerksam hinhört: Der Tenor überzeugt als temperamentvoller Charmebolzen – wenn er singt, schmilzt nicht nur Frau Eisenstein (zu angestrengt matronenhaft: Kristin Ebner) dahin. Die Rolle des nicht ganz nüchternen Gerichtsdieners Frosch, der sich mit verkaterten Häftlingen und dubiosen Gefängnisbesuchern herumschlagen muss, bietet Gelegenheit, zu komödiantischer Höchstform aufzulaufen. Moses Wolffs Frosch ist dagegen müde, genervt, seine München-Grantelei zu lustlos. Freilich kann man sich eine Fledermaus nicht ohne Frosch vorstellen – wohl könnte diese Fledermaus aber gut ohne manch andere Rolle auskommen (Advokat Blind zum Beispiel). Dann wäre das (überwiegend doppelt besetzte) Ensemble wohl öfters unter einen Hut für mehr als sieben geplante Aufführungen zusammenzutrommeln, und es ergäbe sich mehr (Frei-)Raum: Denn das „Wenn schon, denn schon“ hat sich Kristina Wuss dann doch nicht zugetraut. Man vermisst abgedrehte Kniffe, die mit der besonderen Intimität des Raumes spielen – und das Hofspielhaus zur Kinderstube für eine tatsächlich neue Fledermaus-Art hätten machen können. (Karin Dütsch)

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