Kultur

Mit seinen Ohrwürmern und Uraltwitzen funktioniert "Das Weiße Rössl" auch auf der Nürnberger Bühne. Links im weißen Jackett Volker Heißmann als Leopold, rechts mit Dirndlschürze in Pink Michaela Maria Mayer als Rösslwirtin. (Foto: Jutta Missbach)

08.03.2013

Schmiss und Schmäh

Nürnberg singt die Kaiserhymne: "Das Weiße Rössl" begeistert im Staatstheater

Schon das Lustspiel hatte en suite 200 Vorstellungen – das war 1897. Und als Im Weißen Rössl mit Musik 1930 in das Zirkustheater des Berliner Großen Schauspielhauses umzog, waren auch dessen 3500 Sitzplätze Abend für Abend voll. Mit einer gefühlvollen-jugendfreien Alpenland-Schmonzette hatte das damals zu Weimarer Zeiten wenig zu tun, es war vielmehr frivol und freizügig – eine patchwork-Gemeinschaftsarbeit aus Ralph Benatzky, Robert Stolz, Robert Gilbert und sogar einem eingedeutschten MGM-Schlager.
Genau das, was beim Staatstheater Nürnberg über diesen drei Stunden steht, passt jetzt wieder in den mainstream: „Revueoperette“. Das war letzten Herbst bei der Inszenierung des Münchner Gärtnerplatztheaters im Fröttmaninger Zirkuszelt neben der Allianz-Arena (genau die richtige Umgebung) so und jetzt wieder im ausverkauften Nürnberger Opernhaus.
Man spielt nicht nur ein Postkarten-Salzkammergut, sondern man spielt auch ein Stück Endphase der Zwanzigerjahre, kein Peter-Alexander-Nachkriegsschmalz, sondern jodelt erotisch, melkt die Kuhstall-Menagerie und gibt den Alpendepp – die Perspektive ist eindeutig die Berliner Großstadtsicht. Und so wird das Stück parallel zum Film eine Erfüllung damals moderner Tourismus-Sehnsüchte, bald mit „Kraft durch Freude“ befriedigt.
Ein bescheidenes Kammerspiel kann das nicht sein, Thomas Enzinger macht in Nürnberg kurz nach Fasching die ganze Karnevalskiste wieder auf, lässt auf dem Schafberg jodeln und im Wolfgangsee plantschen. Auf sprachlichen oder musikalischen Feinsinn kommt’s da nicht an, man merkt, dass Nürnberg halbwegs zwischen Berlin und Salzburg liegt.
Interessant, dass so ein allround-Talent wie Uwe Schönbeck als Giesecke, sonst auch schon mal Wagner-„Mime“, die Sache am besten trifft. Aber den meisten Applaus heimst natürlich der fränkische Lokalmatador Volker Heißmann als Leopold ein. Er bringt das Kunststück fertig, dass das ganze Nürnberger Publikum aufsteht und die Kaiserhymne singt, wenn Franz Josef in St. Wolfgang einreitet: Respekt! Ansonsten singt er passabel und bekommt auch mal ein Saxophonsolo.
Um Heißmann herum werden die alten Witze immer noch mit Effekt vom Stapel gelassen, hüpft leider nur das „Bewegungsensemble“ des Staatstheaters (genau der richtige Name für diese Truppe) vorm Rössl herum, das wie ein bemooster Doppelparker aussieht (Bühnenbild: Toto, ansonsten aber durchaus einfallsreich).
„Ein offenes Kunstwerk“, hat Michael Otto das Weiße Rössl genannt. Wie ein Chamäleon passte es sich nach der Uraufführung dem Geschmack in Paris, London und New York an. Und auch jetzt kriegt der tönende Reiseprospekt nach einem steif-staksigen Beginn die Kurve zum umjubelten Erfolg mit all den Ohrwürmern und Uraltwitzen: Da läuft für Schmiss und Schmäh kein Haltbarkeitsdatum ab. Und die Dirndl-Dichte nimmt in Nürnberg zu. (Uwe Mitsching)

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