Kultur

23.04.2010

Schrille Fete im Drogenrausch

Henning Paar versetzt Shakespeares „Sommernachtstraum“ in die 1960er Jahre

Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" gehört seit Marius Petipas St. Petersburger Uraufführung 1877 zu den Rennern auf der Ballettbühne. Am Münchner Gärtnerplatztheater hat jetzt Tanzchef Hans Henning Paar das Liebes-Verwirrspiel in die Partyszene der 1960er/70er Jahre verlegt, zu zeitnahen Jazz- und Swingmusiken. Was bei Shakespeare der erotisch verwirrende Saft einer Wunderblume ist, sind bei Paar die enthemmenden Drogen der 68er-Generation. In einer Nobel-Disco tobt eine schrille Fete: Die Dämchen nabelfrei oder in knallengen, verrückt gemusterten Klamotten, die Herren mit ausgestellten Hosen und in Elvis-Showoutfit, die Haare schulterlang, afro-kraus oder à la Andy Warhol – alle schleudern funkig die Glieder in sämtliche Richtungen. Amüsant hat Paar die schrägen Party-Tanzstile der damaligen Zeit in seine virtuosen Bewegungen einfließen lassen. Dann tänzelt Puck als Mohnblume herein, und alles passiert – gerafft – wie bei Shakespeare: Elfenkönigin Titania hat plötzliche Gelüste auf ein affenhaariges Wesen. Lysander, eben noch innig umschlungen mit seiner Hermia, will jetzt Helena. Und auch der Helena-Verächter Demetrius ist nun ihr heißer Bewerber. Pucks Rausch-Pülverchen hat sichtlich seine Wirkung getan. Die Partygäste sehen in ihrem psychedelischen Zustand herumwirbelnde Bäume, Flamingos und Riesenschnecken beim Liebesakt. Und die beiden Machos Demetrius und Lysander rangeln karateähnlich um das Objekt ihrer Begierde, während sich Hermia und Helena anzicken. Das Publikum ab 15 Jahren findet dieses überdrehte Vergnügungsvolk sicher cool. Der 50plus-Zuschauer hängt allerdings durch bei der fast halbstündigen Musik von Miles Davis, einer experimentellen (im Tanz einschläfernden) Suche nach dem musikalischen Ultimum. Und mag auch der Choreograf – stimmig mit seinem Konzept – die hedonistisch flippige Oberfläche der 68er-Generation gut abgebildet haben, interessieren kann diese rasend hechelnde Oberfläche nur für kurze Zeit. Am Ende, wenn Helena und Demetrius sich endlich finden, wenn sich Oberon und Titania versöhnen, atmet man auf. Da führt Tanzchef Paar seine Figuren zu einer Echtheit, einer Tiefe des Gefühls. Und die vier Interpreten zeigen in jeder Geste, jedem Schritt, was es bedeutet, zu einer Paarbeziehung mit ihren Schwierigkeiten gereift zu sein. (Katrin Stegmaier)

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