Kultur

Autor Moses Wolff und einer seiner Ermittlerhelden ähneln sich verblüffend. (Foto: Christian Vogel)

15.09.2016

Sex, Mord und ein Saupreiß

Bühnen-Allrounder Moses Wolff hat seinen ersten Krimi geschrieben und erzählt, warum sein Titelheld unbedingt Münchner sein will

Wie spricht man das aus? Grübig? Und sagt man „Mehatvatrohag“? Er ist ein Saupreiß, sagt er selbst über sich, und zwar einer mit einem gehörigen Komplex: Er will partout als Münchner durchgehen. Und übt und übt... Aber nur er glaubt „I red a ganz an normales Bayerisch.“ Was aber sprachlich auch nach über zwei Jahrzehnten nicht hinhauen will, klappt in anderer Hinsicht ganz gekonnt, wie ihm sein neuer Freund attestiert: „Und, Sie machen es also wie ich und saufen sich kontinuierlich durch die Innenstadt, oder?“ Hans Josef Strauß, der zuagroaste Westfale und Quirin Hausner, der Original-Münchner – der eine arbeitsloser Gelegenheitssprecher beim Funk, der andere hat mit Marktforschung zu tun, was aber auch nicht so richtig läuft: Also machen sie das, was ihnen schon immer Spaß machen wollte – sie werden ein Privatdetektivduo. Der erste große Fall liegt an: der Mord an einem Schankkellner auf der Wiesn. Und wie es da drunter und drüber geht! Wilde Sexpartys im Untergrund, illegal Beschäftigte...

Dauergast auf der Wiesn

„Ich lass meinen Krimi eben dort spielen, wo ich mich auskenne“, sagt Autor Moses Wolff lakonisch. Und wie er sich auf der Wiesn auskennt! Nicht nur, dass er auch ein – oder „das“? – Wiesnhandbuch geschrieben hat (Ozapft is, Goldmann Verlag): Den Autor, Schauspieler und Kabarettisten trifft man täglich, meist ganztägig auf dem Oktoberfest an. Er hat es geschafft: Niemand sonst hat dort in einem Zelt seinen eigenen Briefkasten, der ganz offiziell mit dem Nachsendeantrag bedient wird. Naja, ein bisserl was habe er der Wiesn-Story in Monaco Mortale künstlerisch schon hinzugedichtet, räumt Moses Wolff ein, beteuert aber, dass er tatsächlich von ominösen Partys in unterirdischen Räumen gehört habe. Er outet sich noch mehr: Freilich kennt er sich in der Gaststätten-, Boazn- und Bar-Szene Münchens sehr gut aus, aber so viel Bier trinken wie seine zwei Ermittlerhelden, das tut er nicht: „Tagsüber eh nicht, weil ich dann müde werde“, sagt er und nimmt zu vormittäglicher Stunde im Ayinger am Platzl einen kräftigen Schluck hausgemachter Himbeerlimonade.

Tracht und Touristen

Wieviel Moses Wolff steckt in seinen Helden? Der Quirin in seiner unaufgeregten Art, so ein Karl Obermayer-Typ (bayerischer Volksschauspieler, 1931 bis 1985) bzw. die Verkörperung der Karikaturen vom Herrn Hirnbeiß: Ja, das sei tatsächlich ein wenig sein Alter Ego – „die Figur habe ich schon lange im Kopf gehabt“. Und im Spiegel gesehen, fügt man amüsiert in Gedanken hinzu: „Er hatte lustige, wirre graue Haare auf dem Kopf. Ein bisschen wie Beethoven. Dazu trug er eine Buddy-Holly-Brille, altmodische Koteletten und einen gestutzten Bart. Er war mittelgroß und etwa fünfundvierzig Jahre alt, hatte eine schwarze Jeans und Haferlschuhe an und obenrum ein weißes Hemd unter einer hellblauen Trachtenweste mit aufgestickten Hirschen.“ So wird Quirin in die Geschichte eingeführt. Gut, der 47-jährige Moses Wolff hat gerade ein bedrucktes T-Shirt und eine Sportjacke mit drei Streifen an – die scheinbar einzig akzeptable Alternative zur Tracht, wie er sagt: „Wenn ich aber auf die Wiesn gehe, dann nur in Tracht. Ohne würde ich mich regelrecht unwohl fühlen.“ Und er betont: „Ich geh so angezogen dorthin, lange bevor die Trachtenindustrie zugeschlagen hat.“ Sein ganzer Stolz: eine über 100 Jahre alte Lederhose vom Großvater – „die wird gerade bei einem griechischen Schneider auf der Schwanthaler Höhe repariert“.

Kann man überhaupt ein Münchner werden?

Gedanken über die Tracht auf dem Weg zwischen Weißem Bräuhaus und Dürnbräu in der Münchner Innenstadt (knapp drei Minuten Fußweg) haben ihn auf seine Figur des Hans Josef Strauß gebracht. Touristen strömten nur so in einen Laden hinein, um sich irgendetwas zu kaufen, was nach Tracht aussieht: „Es geht ihnen um ein Attribut, ums Zeichen, dazuzugehören, um sich dazugehörig zu fühlen.“ Für den Westfalen Hans Josef Strauß ist das eben der Dialekt. Kann man überhaupt Münchner werden, oder muss man das sein? „Münchner ist man, wenn man hier geboren ist“, sagt Moses Wolff spontan – ja, doch, das verhindere freilich keine „Wesens-Preißn“, bestätigt er dann, um gleich wegzuwischen: „Ich mache mir nicht viel aus Lokalpatriotismus. Die Stadt ist so offen, da darf man sich als Münchner fühlen.“
Und er zitiert ein Lied seines Autoren-Kollegen und Poetry Slammers Bumillo: München mag di. Derweil deutet er augenzwinkernd und kopfnickend ein paar Tische weiter: Ein Touristenpärchen knippst gerade seine zwei Bier. Dann schaut er durch den Regen hinüber zum Hofbräuhaus und wundert sich lachend: „So lange Beine, so kurze Hoserln, und dann steht s’ no so hoch droben.“ Eine kesse Fremdenführerin ist auf einen Absatz gesprungen, um besser gehört zu werden. Und manch sehnsüchtiger Blick weiß nun gar nicht mehr, was er denn lieber fixieren soll. Das Portal, hinter dem Maßn verheißungsvolle Biergaudi erwarten lassen, schauen jedenfalls plötzlich nicht mehr so viele Touristen.

Gespür für Miniaturen

Moses Wolff hat Auge und Herz für solche kleinen Alltagsszenen – sie sind der Nährstoff für den multimedialen Bühnen-Allrounder. „Meister der kleinen Form“, hat ihn eine Zeitung mal gewürdigt – er beherrscht freilich auch die große Form: Er schreibt Romane, Drehbücher für Filme, Theaterstücke, inszeniert und spielt auf Bühnen und in Filmen. Den Schwabinger Kunstpreis hat er im vergangenen Jahr bekommen. Wolff hat seine Fangemeinde („In Franken bin ich besonders gern. Da gehen die Leute so richtig mit.“) bei Lesungen und kabarettistischen Soloprogrammen ebenso wie im Internet: Seit Jahren gibt er als „Wildbach Toni“ oder „Moses Shanti“ in Videos seinen Senf zu Gott und die Welt. Jetzt will er in diesem Format etwas Neues für die „Ü 60“-Generation mit dem Arbeitstitel Chillen für Ältere machen, wo es beispielsweise um Buffets mit Radieschenmäusen – und kleinen Hinterfotzigkeiten – gehen soll.

Liebeserklärung ans Pissoir

Es sind charmante Miniaturen, die auch dem Krimi Monaco Mortale den reizvollen Lokalkolorit geben: Herrlich ist etwa die nur wenige Sätze lange Liebeserklärung an Gespräche von Mann zu Mann vor den Pissoirs in Gaststätten.

Zugegeben: Frauen spielen in dieser Geschichte keine allzu große und vor allem sympathische Rolle.  „Vielleicht lass’ ich mir da noch etwas einfallen“, brummelt Moses Wolff vor sich hin. Den zweiten Fall für Hans Josef Strauß bearbeitet er ohnehin gerade – als Monaco infernale soll das Buch im nächsten Frühjahr erscheinen. Insgesamt sollen es einmal fünf Bände werden. (Karin Dütsch) Moses Wolff, Monaco Mortale, Piper Verlag, München, 208 Seiten, 8,99 Euro. ISBN 978-3-492-30935-6

360 Grad Buchtrailer "Monaco Mortale" von Moses Wolff

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