Kultur

Engel in den furios choreografierten "Eiszeitvisionen" der französischen Compagnie Philippe Genty. (Foto: Figurentheaterfestival)

10.05.2013

Sieg der Phantasie

Das Internationale Figurentheater reißt zu Begeisterungsstürmen hin

Die nordbayerische Metropolregion ist nicht gerade reich an städteübergreifenden Kulturereignissen. Das zum 18. Mal ausgerichtete „Internationale Figurentheaterfestival“ jedoch, das zur Zeit (bis 12. Mai) in Erlangen, Nürnberg, Fürth und Schwabach über die Bühnen geht, ist – gemessen an seiner Internationalität – zweifellos der Höhepunkt: 62 Ensembles aus 17 Ländern ziehen in 130 Aufführungen an zehn Tagen Tausende von großen und kleinen faszinierten Zuschauern in Bann, die sich der Magie der bewegten und bewegenden Bilder nicht entziehen können. Wie etwa die Eiszeitvisionen der französischen Compagnie Philippe Genty, die die Endzeit des Menschen in die arktischen Weiten des ewigen Eises verlegen. In einem grandios choreografierten „danse macabre“ verschmelzen lebendige Tänzer und ihre toten Puppen-Doubles in einem schaurigen Reigen oder gerinnen zu ungeheuerlichen Skulpturen, zu Menschengebirgen, die im ewigen Eis eingeschlossen sind, aus denen sie ein Engel befreit. Eine hypnotische Reise ins Unbewusste, in dem die Erinnerungen an das Vergessene sich ebenso traumhaft wie traumatisch in kalten Bilden visualisiert.
Nicht minder beeindruckend die circensische Akrobatik der ebenfalls aus Frankreich kommenden „Compagnie 111“, deren Tänzer-Artisten eine sich immer mehr in die Vertikale aufrichtende Steilwand in kafkaesker Vergeblichkeit zu erklimmen versuchen und dabei die Schwerkraft außer Kraft zu setzen scheinen, bis sie doch – wie Sisyphos – scheitern.
Der als Erneuerer des klassischen Handpuppenspiels geltende Neville Tranter (Niederlande/Australien) rührte mit Mathilde - Szenen aus dem Altersheim sein Publikum zu Tränen: Seine minimalistischen Puppengreise erweckt er mit seinem Stimmen-Mimikry zum Leben, in dem freilich die Gegenwart verblasst, die Erinnerungen verlöschen und das große Vergessen in einem zeitlosen Vakuum das vergehende Leben ausmacht.

Kampf ums Überleben

Nicht in die lebendige Vergangenheit, sondern in eine mechanistische Zukunft verweist Savanna – Eine mögliche Landschaft, in die das Schweizer Théatre Vidy-Lausanne entführt: Dort wird die Natur, sind Fauna und Flora futuristisch aufbereitet– und Vögel, Elefanten und allerlei Wild-Getier kämpfen als elektronisch gesteuerte Roboter ums Überleben. Ein filigranes Spiel mit modernsten Techniken – und doch anrührend, wenn das Elefantenbaby nach dem Tod seiner Mutter allein in die weite Welt der Wüsten und Steppen aufbricht – bewundernswert getragen von der Phantasie der Zuschauer, die dem virtuellen Spiel mit Drähten und blinkenden Birnchen Leben einhaucht.
Wie man ganz ohne Elektronik, Projektionen und MultiMedia-Effekte sein Publikum begeistern, ja zu Beifallsstürmen hinreißen kann, demonstriert die (wiederum französische) Compagnie La Pendue mit ihrer ganz klassischen Kasperliade Poli dégaine oder: Pulcinella. Ein paar Bretter, zum Guckkasten zusammengezimmert, genügen, um – wie auf dem Jahrmarkt – eine Welt der Tragödien und Komödien erstehen zu lassen. Es treten auf: der Kasper, die Hexe und der Teufel, die Henne, der Hahn, der Hund und das Ei – alle verfolgt vom Polizisten, der in das Puppentheater-Chaos Ordnung zu bringen versucht. Vergebens natürlich! Weil die Puppen und Marionetten, die grotesken Figuren und Schattenspieler, die Pantomimen und Tänzer mit ihren Masken und Larven auf ihren Stelzen und Stöcken beim ausverkauften Internationalen Figurentheaterfestival der Phantasie – der Spieler wie der Zuschauer – zum Sieg verhelfen. (Friedrich J. Bröder)

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