Kultur

Liebhaber opulenter Orden: Georgi Schukow (Jason Isaacs), der Generalstabschef der Roten Armee. Im Machtkampf um Stalins Nachfolge hilft er Chruschtschow und verhaftet Beria. (Foto: Concorde Filmverleih GmbH)

16.03.2018

Slapstick im Politbüro

Die Schwarze Komödie „Der Tod Stalins“ von Armando Iannucci kommt in die deutschen Kinos

In der Moskauer Oper spielen sie Mozart und der Übertragung im Radio an diesem 28. Februar 1953 lauscht auch Diktator Josef Stalin, während er Todesurteile unterzeichnet. Stalin gefällt, was er hört, und er ordert beim Intendanten einen Mitschnitt. Dumm nur, dass es keine Aufzeichnung gibt und man Stalin enttäuschen müsste – was in der Sowjetunion jener Tage gleichbedeutend ist mit einem Todesurteil. Der verzweifelte Intendant lässt deshalb mitten in der Nacht das Orchester noch einmal zusammentrommeln, holt sogar Passanten von der Straße ins Publikum, damit die Akustik im vollen Saal stimmt. Dann wird die gesamte Aufführung wiederholt, auf Schallplatte gepresst – und im letzten Augenblick einem bereits ungeduldig wartenden Offizier übergeben. „Mit einigen Minuten Verspätung, das wird vermerkt“, wie der Offizier eiskalt registriert – und der Intendant fast ohnmächtig wird.
Stalin hört aber nur noch die ersten Takte – dann bricht er mit einem Schlaganfall bewusstlos zusammen. Seine Leute finden ihn in seinem eigenen Urin liegend – und trauen sich zunächst nicht, ihm zu helfen. Sie fürchten, Stalin könnte sie aus Scham über seinen würdelosen Anblick hinrichten. Fünf Tage später ist der Diktator tot.
Auch wenn die Szenen slapstickhaft inszeniert sind, so spiegeln sie doch die Allmacht und Grausamkeit des sowjetischen Partei- und Regierungschefs Josef Stalin (1879 bis 1953) wider, der in den fast 30 Jahren seiner Herrschaft ein Millionenvolk in Angst und Schrecken versetzte – vor allem mithilfe seiner Geheimpolizei NKWD unter Leitung von Lawrenti Beria.

Machtkampf zwischen Beria und Chruschtschow

Im Wesentlichen dreht sich die weitere Handlung um den Machtkampf zwischen Beria (Simon Russell Beale) und dem zunächst eher unscheinbaren, in der Regierung für Landwirtschaft zuständigen Nikita Chruschtschow (Steve Buscemi). Wie man aus der Geschichte weiß, hat sich Chruschtschow am Ende durchgesetzt – was aber zunächst nicht sicher war. Die Chancen des blutrünstigen Schlächters Beria standen nicht schlecht.
Vor allem seine Auftritte sind es, die den eher als Schwarze Komödie konzipierten Streifen fast zum Horrorfilm kippen lassen – etwa wenn auf seinen Befehl hin weinende und schreiende Menschen spontan erschossen werden oder der sexuell abartige Beria minderjährige Mädchen kidnappen lässt. Die anderen Mitglieder des Politbüros der Kommunistischen Partei – darunter Michael Palin (Monty Python) als Außenminister Molotow – warten ab.
Die Maskenbildner haben tolle Arbeit geleistet, man erkennt die Charaktere meist sofort. Historisch ist der Film, bei aller Fantasie, gut recherchiert und bietet interessante Einblicke in den Machtbereich der Sowjetunion.
Chruschtschow, der die Morde und den Terror ablehnt und die Notwendigkeit von Reformen erkennt, verbündet sich mit dem einzigen Mann, der Beria noch Paroli bieten kann: Georgi Schukow (Jason Isaacs), Generalstabschef der Roten Armee. Der verhaftet mit seinen Soldaten den Geheimdienstchef, macht ihm den Prozess und lässt ihn sofort danach erschießen. Das dunkelste Kapitel der sowjetischen Geschichte ist zu Ende, die Epoche des politischen „Tauwetters“ hat begonnen.
Lange andauern wird sie freilich nicht: Der Film endet, wie er begann, in der Oper. Doch hinter Chruschtschow sitzt jetzt mit Leonid Breschnew bereits jener Mann, der ihn einige Jahre später stürzen und die Sowjetunion in eine neue Eiszeit führen wird. ( André Paul) Information: „Der Tod Stalins“, französisch-britischer Spielfilm 2017, 107 Minuten, Regie: Armando Iannucci, Drehbuch: Ian Martin, Peter Fellows, Kamera: Zac Nicholson, in den Hauptrollen: Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Jason Isaacs, ab Donnerstag, 29. März, im Kino.

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