Kultur

Gespanntes Sitzen auf Kisten im Probenraum – das mag symbolisch für die neue Ära der Münchner Symphoniker sein: Der neue Chefdirigent Kevin John Edusei lässt vermuten, dass er manche Überraschung aus der Box lässt. (Fotos: Felbert/Münchner Symphoniker)

17.10.2014

So klingt der Aufbruch

Der große Kommunikator: Kevin John Edusei, der neue Chefdirigent der Münchner Symphoniker, setzt vielversprechende Akzente

Er möchte mehr. „Spielen Sie das Tremolo noch energischer“, bittet Kevin John Edusei die zweiten Violinen. „Aber es geht nicht mehr“, erwidert eine Geigerin. Stille im Saal, der junge Dirigent lächelt charmant. „Wissen Sie, was der Pianist Alfred Brendel einmal gesagt hat? Wenn bei einer Beethoven-Sonate nicht noch mehr ging, dann löste er das Problem über den Gesichtsausdruck“ – über die Mimik und Gestik also. „Das will ich auch von Ihnen!“
Edusei redet nicht zu viel – doch was er sagt, trifft genau. Das merkt man schnell während einer Probe mit den Münchner Symphonikern. 2013 wurde Edusei zum neuen Chefdirigent des Ensembles ernannt, als Nachfolger von Georg Schmöhe. Sein offizieller Amtsantritt steigt mit dem Konzert am 24. Oktober im Münchner Prinzregententheater.

Ende der Pult-Autokraten

Edusei ist ein Kommunikator, der die Musiker aber nicht mit einem eitlen Wortschwall überwältigt. Darüber hinaus ist der gebürtige Bielefelder mit ghanaischen Wurzeln kein Diktator mit Taktstock, der strikt seine Richtung vorgibt. Auch wenn er ganz genau weiß, was er will, sind Diskussionen erwünscht und Vorschläge erlaubt. Mit diesem Profil hat Edusei die Münchner Symphoniker rasch zeitgemäß aufgestellt. Denn die Pult-Autokraten sind eine aussterbende Spezies. Gleiches gilt für Musiker, die Pult-Autokraten hörig sind und ihnen blind folgen. Mit solchem Gebaren lässt sich heute ein Orchester nicht durch die kulturpolitischen Untiefen führen. Ein Klangkörper muss zunächst einmal intern gesund sein, um nach außen hin von sich überzeugen zu können. Eudsei schafft es mühelos, die Musiker mitzunehmen und eine angenehme, konstruktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Eine neue Ära ist bei den Münchner Symphoniker angebrochen, und zwar in jeder Hinsicht. Unter Schmöhe, der vor rund anderthalb Jahren das Handtuch geworfen hatte, herrschten am Ende oft Kämpfe und Krämpfe, worunter vor allem die Streicher zu leiden hatten. Natürlich möchte sich niemand offen darüber äußern, dennoch wirkt das Gros der Musiker buchstäblich befreit. Viele schwärmen für den jungen Neuen.
So auch Tamas Schunk. Seit 1982 streicht er bei den Münchner Symphonikern die Bratsche. Edusei ist der fünfte Chefdirigent, unter dem er spielt. „Für mich ist er bislang der beste“, sagt der gebürtige Ungar. „Es ist fantastisch, wie er arbeitet – sehr angenehm und trotzdem konzentriert. Dass ich das noch kurz vor der Rente erleben darf, ist für mich ganz wunderbar.“ Flötistin Désirée Wolff, zugleich eine von vier Orchestervorständen, spricht von einer Aufbruchstimmung bei den Münchner Symphonikern.
Das äußert sich auch dezidiert künstlerisch. In kurzer Zeit hat Edusei einige bemerkenswerte Weichenstellungen vollzogen. Nicht zuletzt hat er veranlasst, dass die Münchner Symphoniker nun auch Barockposaunen im Bestand haben. Und wie Schlagzeuger Alexander Penthin erzählt, werden die Barockpauken nun auch mit Naturfellen bezogen: „Der Klang ist sehr viel markanter, griffiger und prägnanter.“ Freilich hatte Schmöhe bereits Naturhörner und Barocktrompeten eingeführt – Edusei belässt es aber nicht nur beim Instrumentarium. Bei Proben konnte man verfolgen, wie er aus dem Einsatz von historischen Instrumenten auch interpretatorische Konsequenzen zieht. „Gestalten Sie bitte das Forte nicht, indem Sie die Dynamik steigern, sondern durch eine Schärfung der Akzente und durch die Artikulation selber“, lautet da zum Beispiel eine Bitte an die Musiker. Es geht Edusei um eine klangliche Entschlackung, weg von einem romantisierenden Ideal. Damit soll nicht zuletzt eine größtmögliche klangliche Transparenz erreicht werden. Und grundsätzlich kann sich der Edusei vorstellen, auch Werke der Romantik wie die Sinfonie Nr. 2 von Robert Schumann mit Originalinstrumenten zu besetzen.
Jetzt aber werden seine Neuerungen bei seinem offiziellen ersten Konzert als Chefdirigent der Münchner Symphoniker am 24. Oktober zu erleben sein – auch mit den neuen Naturfell-Pauken. Unter dem Motto „Liebeswut“ werden Beethovens Leonore-Ouvertüre, Cherubinis und Geirg Anton Bendas Medea sowie die Jupiter-Sinfonie von Mozart gehörig entschlackt.
Es zeichnet sich bereits ab: Die Münchner Symphoniker haben mit Kevin John Edusei einen Glücksfang gemacht. So manches größere Orchester in München dürfte sie um diese Potenziale der Erneuerung beneiden. (Marco Frei) Die nächsten Konzerte: 24. Oktober, 4. und 9. November, jeweils Prinzregententheater München. www.muenchner-symphoniker.de
Abbildung (Foto: von Felber):
Kevin John Edusei hat in kurzer Zeit wichtige Weichen gestellt.

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