Kultur

Die Orchesterakademie des Bayerischen Rundfunks wurde bei ihrem Konzert in der Münchner Allerheiligenhofkirche unterstützt von Musikstudenten aus München und Salzburg. (Foto: Astrid Ackermann)

21.02.2018

Soiree des Sublimen

Die Orchesterakademie des Bayerischen Rundfunks begeistert in der Allerheiligenhofkirche mit Richard Strauss und Beethoven

Eine Bühnenmusik als Orchestersuite: „Der Bürger als Edelmann“, ursprünglich eine Ballettkomödie von Molière, Musik von Lully dazu, Teil eines Strauss-Hofmannsthal-Projekts, das schließlich in zwei wunderbare Musikkunstwerke mündete: in die Oper „Ariadne auf Naxos“ und in die Suite op. 60 – ausgerechnet am Ende des Ersten Weltkriegs ein Wunderwerk sublimer Wirkung. Jetzt hörte man es in exquisiter Besetzung: mit der Orchesterakademie des Bayerischen Rundfunks, von derzeitigen und ehemaligen Mitgliedern, unterstützt von Musikstudenten aus München und Salzburg. So etwas lockt das Publikum auch im derzeit dicht gedrängten Münchner Konzertkalender: ein „Hybridwerk“, wie es im Programmheft heißt, dazu in einer Art Hybrid-Bau, der Allerheiligenhofkirche. Ein „normales“ Orchester hat selten die Muße, so ein exquisites Stück einzustudieren, den Akademiemitgliedern nützt es, weil sie in relativ kleiner Besetzung von 35 Musikern höchste, auch solistische Wirkung erziehen müssen: nach unvergessenen Münchner Aufführungen (etwa von Lorin Maazel) diesmal unter der Leitung von Joseph Bastian. Der war früher Posaunist, ist als Dirigent und Assistent von Jansons oder dem zukünftigen Opernchef Jurowski bestens aufgestellt. Die Suite klingt höchst attraktiv, man sollte aber auch die Handlung kennen, die dahinter steht: Ein „nouveau-riche“ der Sonnenkönigszeit bestellt sich Köche, Tanzmeister, Schneider – er will es dem Adel gleich tun. Und Molière hat sich die Musik vom königlichen Lieblingskomponisten Lully bestellt. Die lässt Richard Strauss später auch in seiner Suite durchschimmern: also ein Stück von höchster Raffinesse, durcheinander gewirbelter Stilen und Epochen. Erstaunlich ist, wie auch in der ähnlichen Orchesterbesetzung von „Ariadne auf Naxos“, dass Strauss aus der Kammerorchesterstärke höchste Klangkraft herausholt, dabei den Orchestersatz immer durchsichtig belässt und so außergewöhnliche Kombinationen präsentiert wie von Klavier und Oboe, Harfe und Cello. Die Musik ist dabei höchst anschaulich: mit den Bewegungen des Fechtmeisters oder dem Sirren der Schneidernadeln. Das alles in fein gestricktem Humor mit viel Ironie, aber auch zu tiefen Gefühlen bereit – ein Stück, das aus der Zeit und der Mode fällt. Und damit das Richtige ist für so einen Apparat wie die Orchesterakademie. Besonderes Lob verdienten sich Julia Knapp als Konzertmeisterin oder der schöne, warme Celloton von Alexander Weiskopf genauso wie der Oboist Andrés Otin Montaner. Bastian lenkte mit eleganten Bewegungen, sehr auf Präzision bedacht – vielleicht deswegen etwas zu bedächtig. Viel Applaus dafür von den voll besetzten Reihen – genauso wie zuvor für den wesentlich kleineren Cercle von nur acht Musikern auf der Bühne: Genauso wie vor über zweihundert Jahren im Speisesaal erzbischöflicher Herrschaften in Bonn – da kann es nur der junge Beethoven gewesen sein, bei dem 1792 ein Bläseroktett bestellt wurde. Im Gegensatz zum Septett steht darüber in der Literatur eher wenig, vielleicht weil es prima vista „nur“ Unterhaltungsmusik für die adelige Tafel zu sein schien. In Wirklichkeit aber Beethovens Versuch war, sich den Ausdrucksradius der Holzbläser und Hörner zu erarbeiten und ihn auszutesten. Der ehemalige BR-Fagottist Eberhard Marschall hatte das Oktett mit Akademiemitgliedern einstudiert und besonders auf die der Zweckbestimmung entsprechende Eleganz und Eloquenz geachtet. Die Musiker spielen die vier Sätze mit einer Fülle von Einfällen ganz im Stil der damals modernen Harmoniemusiken, aber in feiner Tongebung und voller Ausdruckskraft, kammermusikalischem Feingefühl (die Hörner im Menuett!), zeitgemäßer Rokoko-Grazie, herzhafter Attacke und hübsch formulierten Dialogen wie im Menuett-Trio: keine Banda-Marktplatzmusik. Egal, ob für diese Achter- oder die volle symphonische Besetzung: Christine Reif, Leiterin der BR-Orchesterakademie, hat offensichtlich keine Probleme, die jeweils passenden Musiker für das „größte“ Konzert der Saison zusammenzu ringen: „Wenn sie ruft, kommen alle.“ Das gilt für Podium und Publikum gleichermaßen. (Uwe Mitsching)





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