Kultur

Idomeneo (Ilker Arcayürek) hat das Schwert gezückt, aber er schafft es nicht, seinen Sohn Idamante (Ida Aldrian) zu töten. Ilja (Ina Yoshikawa) stellt sich dennoch schützend vor ihn. Im Hintergrund mit Stock der Oberpriester Arbace (Alex Kim). (Foto: Ludwig Olah)

23.02.2018

Spielball göttlicher Willkür

David Bösch gelingt in Nürnberg eine ergreifende Neuinszenierung von Mozarts „Idomeneo“

Viele Kenner schätzen Mozarts Dramma per Musica Idomeneo als die menschlich anrührendste seiner Opern: in der es um diesen Vater geht, der den Sohn umbringen soll als Preis für die eigene Rettung aus Seenot, um diesen Opfermut, die Kriegsopfer – überhaupt dieses Bild des Menschen als Spielball göttlicher Willkür. Weniger mögen die davon Begeisterten vielleicht das der Opernkonvention geschuldete „lieto fine“ des glatten Regierungswechsels auf Kreta, das von hochgehenden Wogen umtobt ist und einen König hat, der schuldbeladen gerade vom Trojanischen Krieg zurückkommt.

Comic zum Mythos

Man war gespannt, was Regisseur David Bösch im Nürnberger Staatstheater davon übrig lassen würde. Längst war in Nürnberg ein neuer Idomeneo fällig, es war auch der Wunsch des Noch-Generalmusikdirektors Marcus Bosch.
Bösch, der mit seinem Stammteam das „Dramma“ schon in Basel und Antwerpen gezeigt hatte, greift am deutlichsten auf die Machart wie bei Mitridate zurück: Ein kindergekritzelter Comic erzählt zur Ouvertüre den mythischen Inhalt, der heute längst kein Bildungsinhalt mehr ist. Schwarz und Rot bleiben die ganzen drei Stunden über die dominierenden Farben: Sie symbolisieren die dunkle Nacht des Schicksals und die Blutströme, in denen die Götter Kreta ertränken.
Zunächst ist es nur Strandmüll, der die leere Opernhausbühne unterm Sternenhimmel füllt. Dort streunen die Opfer dieser herrscherlosen Zeit herum: Trojas Prinzessin Ilja (sehr zierlich in jeder Beziehung: Ina Yoshikawa), die Muttermörderin Elettra auf der Flucht vor den Erinnyen und mit ihrem Bruder Orest samt Beil im Psycho-Gepäck, ein Jüngelchen in Strandklamotten (Ida Aldrian) als Königssohn Idamante. Er liebt die Kriegswaise aus Troja und bringt ihr eine Schachtel Mon Chéri an den Strand mit. Da kommt schon ohne Idomeneo genug Konfliktpotenzial zusammen, das Marcus Bosch und seine Staatsphilharmonie sehr passend mit scharfkantigem Ton und voranstürmenden Tempi durcheinander wirbeln – auch wenn die jungen Leute ein Pappschild mit „pace“ hochhalten.

Raffiniert einfach

Die Einzige, die Wut und Qual herausschreit, ist Elettra. Sie ist in dieser Aufführung schauspielerisch wie sängerisch die packendste Figur (Leah Gordon). Um sie herum gelingen Bösch und seinen Ausstattern Patrick Bannwart und Falko Herold jenseits aller Bühnenkonvention raffinierte und raffiniert einfache Theatercoups für Sturm, Meereswogen, Seeungeheuer oder Idomeneos Verzweiflung. Ilker Arcayürek spielt diese eindrucksvoll, singt mit viel emotionaler Energie und seinem guttural klingenden Tenor, dem weniger Mozarts Melodik als die Verzweiflung dieser Rolle liegt. Und der auf dem ungeheuerlichen Schlachtfeld am Ende kein gütig resignierender Opa sein will, der über die geregelte Thronfolge glücklich ist, sondern sich selbst umbringt.
Wie kaum ein anderer Regisseur zuvor hat Bösch mit diesem Idomeneo als dezidiert katholischer Karnevalsoper für München so ernst gemacht: Die riesigen Kreuze erzählen von Gott und dem Opfertod seines Sohnes, erinnern an Abraham und Jakob, an die ganze Wucht des Alten Testaments. Das gelingt dieser Aufführung konsequent und lässt ein ergriffenes Publikum zurück. (Uwe Mitsching)

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