Kultur

Katharina Brenner als Mutter Courage. (Foto: Kaufhold)

30.03.2017

Spielen mit Brecht

„Mutter Courage und ihre Kinder“ am E.T.A. Hoffmann-Theater in Bamberg

Sie spielen Brecht, vor allem aber spielen sie sich mit Brecht. In Sebastian Schugs Inszenierung von Mutter Courage und ihre Kinder am E.T.A. Hoffmann-Theater in Bamberg wird das Gesicht dieses Klassikers abgewischt und frisch geschminkt. Mitten hinein in die gellende Wunde des Dreißigjährigen Kriegs führt die Geschichte der Marketenderin Courage und ihrer drei Kinder, die sie alle verliert, nur ihren Geschäftssinn nicht. Aber weil Brecht Brecht ist, wird diese Geschichte nicht nur dar-, sondern auch ausgestellt, analysiert und seziert. Schug findet für diesen Operationsprozess ein neues Besteck – und beschert einen über weite Strecken äußerst gelungenen Theaterabend. Nein, das ist kein Brecht-Klassiker mit den altbekannten Brechtschen Theatermethoden. Das ist die Pop-Version von etwas, das man neu sehen kann. Das beginnt bei der Bühne. Gespielt wird fast ausschließlich vorn an der Rampe, allein das unterstreicht das Ausgestelltsein der Figuren; das Geschehen wird geprägt von einem verwantzten Kleinstwagen (Ausstattung: Nico Zielke), in dem die Courage und ihre drei Sprösslinge Kattrin, Eilif und Schweizerkas die Bühnenfahrt beginnen. Alles ist ein leicht debiles Durcheinander: Kriegszeitnot. Aber der Krieg ist auch ein Geschäft; er war es und er ist es. Und: Wohl dem Land, das keine Helden braucht, aber braucht es sie, brauchen die wiederum Brot und Wurst und Schnaps. Das ist die Geschichte. Schug blödelt sich nicht einfach fahrlässig durchs Material, wie das bei Klassikerinszenierungen durch Jung-Regisseure derzeit gern einmal serviert wird, sondern kommt bei allem farbenfrohen Spektakel immer zum Punkt. Da werden Szenen boulevardesk angelegt, putzig überdreht oder saftig tragisch: Am Schluss stimmt es immer, weil sich Inhalt und Emotion deutlich vermitteln. Ein wunderbares Beispiel ist das Geschehen rund um Kattrins Ende, als sie, die eigentlich Stumme, plötzlich Stimme und Gesang wieder findet und dabei zugleich auch, plötzlich von der Band alleingelassen, ihren Tod: Das ist schon sehr zupackend inszeniert. Gerade die Musik ist es, die das Stück an die Gegenwart andockt. Hier ist einmal die Live-Musik nicht modebewusstes Ornament, sondern effektiver Teil des Geschehens. Johannes Winde (E-Gitarre, Klavier, Gesang) und Bärbel Schwarz (Schlagzeug, Gesang) dekonstrieren Paul Dessaus kompositorische Vorlagen und Songs ordentlich und bringen sie genau deshalb passgenau und stimmig zur Wiedervorlage. Bestes Beispiel: des Feldpredigers „Horenlied“. Das wird zur Arie der Verzweiflung.
Ein Abend, der gelingt, weil famose Darsteller ihn prägen: Volker Ringe ist als Feldprediger ein charismatisches Mannstrumm Gottes; Ronja Losert darf Kattrin bis auf deren Ende keine Stimme verleihen und löst diese Aufgabe ausdrucksstark mit Mimik, Blicken, Körperlichkeit; Pascal Riedel (Eilif) und Stefan Hartmann (Schweizerkas) gehen ihre Rollen herrlich naiv-geschmeidig an; Pina Kühr ist als Hure Yvette eine bis ins Mark durchgeschrillte Erfolgsfrau. Für Katharina Brenner als Mutter Courage ist’s ein großartiger Abend. Herrlich durchgearbeitet ist ihre Figur, ganz und gar nicht plakativ, aber aus Kernholz geschnitzt, rau und sinnlich und mit passendem bairischem Tonfall ausgestattet.
(Christian Muggenthaler)

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