Kultur

Eine Körpershow, die irritiert, bietet Marie Chouinard mit ihrem Ensemble. (Foto: O.H.)

02.11.2012

Spitzentanz mit Krücken

Minimal, multimedial, exaltiert: Die 13. Dance-Biennale in München hat einiges zu bieten

Vom Minimal-Dance bis zum Multimedia-Psychotrip und exaltierten Körpertheater: Die 13. Münchner Dance-Biennale präsentiert sich farbig und abwechslungsreich. Das neue Kuratoren-Duo, die tanznetz.de-Herausgeberin Nina Hümpel und der Ex-Intendant des Frankfurter Mousonturms Dieter Buroch, will einfach „zeigen, was wichtig ist“. Wichtig erschien den beiden das tanzstarke Belgien. Sieben Choreografen aus Belgien/Flandern machen die Hälfte der diesjährigen Dance-Gäste aus.
Zur Dance-Eröffnung zeigte der flämisch-marokkanische Tanzschöpfer Sidi Larbi Cherkaoui sein neues Stück Puz/zle – eine einzige klingende und bewegte Architektur. Mit Quadern, Säulen und ganzen Wandteilen bauen seine elf Tänzer Mauern, Treppen, Tempel, Türme. Sie posieren und balancieren darauf – und bringen ihre Gebäude zum Einstürzen, um Sisyphos gleich wieder Neues daraus zu errichten. Charkaouis scheinbar gelenklos sich biegender, verschraubender, nervös zuckender Tanzstil ist zeitgenössischer Standard.
Seine besondere Qualität gewinnt das Stück erst durch die ins Spiel hinein agierenden Sänger und Musiker. Der „bewegte“ Raum ist erfüllt von japanischer Flöte und Trommel, vom chorischen Summen und Singen des korsischen Ensembles A Filetta und sanft melancholischen Liedern aus dem Libanon.
Ist Cherkaouis Handschrift eher traditionell, seine Weltsicht fühlbar positiv, lotet sein Landsmann Jan Van den Broeck die Psyche des urban gehetzten Menschen aus. Und das mit elektronischem Gebrause, gesprochenen und projizierten Textfetzen und wild-akrobatischen Jagden seiner Akteure über die mit Stühlen zugemöbelte Carl-Orff-Bühne.
Ähnlich interdisziplinär und düster existenzverunsichernd die atmosphärisch dichte Uraufführung Black Swan des Ex-Forsythe-Tänzers Richard Siegal. Dieser bewegt sich auf abgedunkelter Bühne mit gebrochenen Gesten eines Schwans und immer sprech-singend, während die Texte auf eine konvexe Großleinwand projiziert werden. Als eine Art Neo-Sphinx kündet er von unvorhergesehenen einschneidenden Ereignissen wie Waterloo, Verdun oder Felix Baumgartners Rekord-Himmelssturz. Eine atmophärisch dichte Performance.

Lädierte Körper

Die Kanadierin Marie Chouinard lässt ihr zehnköpfiges Ensemble (auch die Männer) auf Spitze tanzen – gleichzeitig aber auch mit Gurten, Krücken und rollenden Geh-Hilfen: Für die Tänzer sind das Behinderungen, die zu gebeugter, gekrümmter, abknickender (Fort-) Bewegung führen. Chouinard hat sich zu ihrer Kombination von Ballettklassik und (scheinbar) lädiertem Körper eine Menge einfallen lassen: vom Gehen auf allen spitzenbeschuhten Vieren bis zu turnerischen Übungen an Ballettstangen. Eine gewisse Qualität kann man dieser Körper-Show nicht absprechen – doch schon nach wenigen Minuten hat sich diese hoch verkünstelte ästhetische Irritation zu Bachs teils verzerrten Goldbergvariationen erschöpft.
Durchgehende Wahrnehmungslust dagegen bei Nicole Beutler – obwohl sie „nur“ zwei ursprünglich musiklose Stücke der großen US-Minimalistin Lucinda Childs von 1976/77 jetzt für die Dance-Biennale zu einer feinen rhythmischen Minimal-Komposition neu aufgelegt hat. Hier sieht man vier Tänzer im Kreis gehen und laufen. Von Zeit zu Zeit verändern sie den Abstand zwischen sich, flechten Hüpfer, Kehrtwendungen, auch mal eine Drehung ein. Das klingt unspektakulär, kristallisiert sich aber in der 20-minütigen Wiederholung zu soghaftem „Tanz pur“. (Katrin Stegmeier) Abbildungen (von oben): Black Swan von Richard Siegal. (Foto: S. Horovitz) Szene aus Marie Chouinards exaltierter Körpershow. (Foto: O. H.) Aus Nicole Beutlers  Dialogue with Lucinda. (Foto: Anja Beutler)

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