Kultur

16.07.2010

Strenge und Süße

Bei den Audi-Sommerkonzerten brillieren die Weltstars

„Eine Frage des Standorts“, steht heuer über den Ingolstädter Sommerkonzerten – eine Frage auch für den Veranstalter Audi, der Internationalität betont: die Slowakei, Indien, China ... alles schaut am Standort Ingolstadt vorbei, wenn es drei Wochen lang Klassik- und Interpreten-Vielfalt gibt. Dafür bilden am Ende wieder die Salzburger Festspiele mit einem Gastkonzert im Rahmen der „Exegese Wolfgang Rihm“ und anfangs ein Gruß der Nationalphilharmonie Bratislava vom Produktionsstandorts Slowakei die Klammer: Weniger die sorgte für volle Reihen, sondern Meistercellist Mischa Maisky, eher exotisch denn slowakisch im Outfit, aber mit Dvoráks Cellokonzert regional passend. Das spielt er im grandiosen Wechsel von fulminantem Furor, großer Hand-aufs-Herz-Lyrik und überzeugender Innigkeit – ein Cello-Zauberkönig, der sich seiner Sache (manchmal zu sehr) sicher ist: mit gewohnt voluminösem Ton und im Finale geradezu mit alttestamentarischem Prophetenwort. Ihren eigenen Standort erprobte die Slowakische Nationalphilharmonie unter Ratislav Stur mit Beethoven und Tschaikowsky.

Große Noblesse

Die ersten „Sommerkonzerte“-Konkurrenten nicht nur mit großen Namen, sondern auch bei hohen Temperaturen. Als Anne-Sophie Mutter ihr Brahms-Sonaten-Programm spielte, war selbst ihr anzumerken, wie schwer Konzentration auf höchstem Niveau fällt. Gerade war ein 10-Grad-Temperatursturz per Gewitter vorbei, im Programmflyer hatte die Solistin noch über den „Einfluss der Luftfeuchtigkeit“ nachgesonnen, da sollten die drei Sonaten die Konkurrenz mit früheren Aufführungen bestehen. Man fürchtete zu Recht um die Wiederholbarkeit des Singulären, aber Anne-Sophie Mutter spielte mit großer Noblesse, kammermusikalischer Zartheit, teilte sich und die spätromantischen Emotionen dem Publikum faszinierend mit. Völlig kahl die Bühne, abgedunkelt der Saal, nur Brahms – eigentlich eine Unmöglichkeit im heutigen Konzert-Event-Betrieb. Wesentlich heftiger allerdings der Applaus für die Ungarischer Tanz Nr. 5-Zugabe: ein bisschen frustrierend, wenn man sich zuvor anderthalb Stunden mit Brahms’scher Sonatenstrenge und -süße auseinandergesetzt hat. Zwischen beiden Terminen das interessanteste Projekt, das Audi musikalisch zuletzt auf den Weg gebracht hat: die Jugendchorakademie. Junge Stimmen zwischen 16 und 27 Jahren, flexibel und einsatzbereit für Vorsingen, Stimmbildungskurse, Probenphasen und Konzerte, nicht nur in Ingolstadt. Martin Steidler (Musikhochschule München) hat das 70-köpfige Team geformt, Kent Nagano dirigierte es in einem Programm romantischer Chormusik (dazu sein Bayerisches Staatsorchester): dabei Robert Schumanns Der Königssohn op. 116, ein balladeskes Drama aus grauer Vorzeit, in Wirklichkeit Plädoyer für einen Volkskönig, der sich den Thron selbst erkämpft; musikalisch ist es ein Stückwerk, aber Ausdruck von Schumanns Opernsehnsucht und mit Wagner-Parallelen samt nationalem „Heil!“-Pathos. An hymnischer Hingabe ließ es die Jugendchorakademie nicht fehlen, mächtig tönten Bayreuth-bewährte Solisten in dieser politischen Märchenballade. (Uwe Mitsching)

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