Kultur

Die Titelpartie der Salome wird Anna-Maria Thoma singen. (Foto: A.T.Schaefer)

21.02.2014

Suche nach Erlösung

Balázs Kovalik über seine "Salome"-Inszenierung am Prinzregententheater

„Man töte dieses Weib!“ – Und die Soldaten „stürzen vor und zermalmen Salome unter ihren Schildern.“ Das hört man dann auch in der Partitur der Oper von Richard Strauss überdeutlich, überlaut – typisch für diese Skandaloper von 1905. Deren antikes Personal findet Balázs Kovalik „extravagant“, „bizarr“ und „hysterisch“. Natürlich hat sich der ungarische Regisseur mit der Strauss-Fassung des Dramas von Oscar Wilde auseinandergesetzt – aber inszenieren wird er jetzt mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding nicht die Salome von Strauss, sondern die von Antoine Mariotte.
Deren Partitur und die Personen aber sind „bestimmt von Einsamkeit und Traurigkeit, von Melancholie“. Wildes Aussage, wie einsam der Mensch eigentlich sei, steht bei Mariotte im Mittelpunkt.
Das weiß Kovalik erst seit ein paar Monaten. Sein Vertrag als Künstlerischer Leiter der Budapester Staatsoper wurde auch aus politischen Gründen nicht verlängert und neben etlichen Inszenierungsaufgaben in Deutschland ist er als Leiter des neuen Studiengangs Musiktheater an seine Münchner Alma mater zurückgekehrt.

Gute Rollen für Studenten

Ein Kollege hatte auf Mariotte und seinen 1908 uraufgeführten Einakter hingewiesen, Kovaliks Kollege Andreas Schmitt sowie Ulf Schirmer vom Münchner Rundfunkorchester waren einverstanden. „Und das Wichtigste ist, dass unsere Studenten gute Rollen bekommen“, sagt Kovalik. „Es ist nicht immer einfach, ein Stück zu finden, das für alle gut ist, wo wir keinen großen Chor brauchen, aber interessante Noten für das Orchester da sind.“
Natürlich hat auch das laufende Richard-Strauss-Jahr eine Rolle gespielt, und so ganz unbekannt ist Mariottes Oper schließlich nicht geblieben: Nach der Uraufführung 1908 in Lyon ging sie nach Paris, wurde dort parallel zu Strauss gespielt, tourte durch Frankreich, kam nach Prag. 2005 gab man in Montpellier beide „Salomes“ an einem Abend. 2014 bleibt München mit der Erstaufführung nicht allein, auch die Opernfestspiele im irischen Wexford graben Mariotte aus.
Antoine Mariotte hatte Wilde im Fernen Osten gelesen, zurück in Paris wurde er Schüler von Orgelmeister Widor oder Vincent d’Indy – und diese französische Tradition, die spiegelt sich auch in seiner Salome-Partitur. Ein klassisch-romantisch besetztes Orchester spielt im Stil von Massenet oder Bizet ohne Besetzungskapriolen wie bei Strauss.
Auch die Besetzung der Salome folgt dem französischen Schema: Liebhaberinnen singen immer Mezzosopran (Carmen, Dalila), und der König Herodes muss gemäß der Tradition ein Bass sein. Kovalik und Schirmer kommen damit gut zurecht: „Mariottes französische Traditionen finde ich fein und sensibel.“
Kovalik ist sich sicher, dass Strauss die französische Partitur zur Kenntnis genommen hat, finanziell auf jeden Fall. Denn er hat an Mariottes Parallelvertonung mitverdient. 40 Prozent der Tantiemen sollten an ihn gehen, 10 Prozent an den Verlag Fürstner, der sich die Rechte an Wildes Schauspiel vorab gesichert hatte. Und obendrein sollten alle musikalischen Materialien nach den Aufführungen zerstört werden. Wollte sich Strauss da eine mögliche Konkurrenz vom Halse schaffen?

Ohne Obszönitäten

Immerhin: Nachdem sich Romain Rolland für Mariotte eingesetzt hatte, gab es mildere Konditionen. Dabei „bedient Mariotte ja einen ganz anderen Weg, zum Beispiel bei der Frage, was das ganze Geschehen in Judäa auslöst“, sagt Kovalik. „Es ist nicht die sexuelle Frustration, sondern Melancholie. Verführerische Kräfte oder sexuelle Gier sind bei Mariotte nur sehr zurückhaltend dargestellt. Wahrscheinlich hat er keine Obszönitäten gewagt. Salomes Tod ist der inszenierte Selbstmordversuch einer Frau, die sich in dieser Welt nicht wohlfühlt und einen Weg nach Erlösung sucht.“
An diesem Gedanken wird sich auch Kovaliks Inszenierung im Prinzregententheater orientieren: „Mein Ziel ist eine surreale Welt. Unterschiedliche Figuren und Charaktere stehen nebeneinander in einem Raum wie in einem Labyrinth, wie in einem Lebensraum, in dem man sich verirrt: Aber man bleibt immer einsam.“
Und so zermalmen auch keine Schilde und donnernden Orchesterakkorde die jüdische Prinzessin, sondern ihr Schlussgesang wird von einem Vokalchor aus der Ferne sanft begleitet: „Der klingt wie ein Klangteppich aus dem Jugendstil.“ (Uwe Mitsching)
Premiere am 28. Februar im Münchner Prinzregententheater.
www.prinzregententheater.de

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