Kultur

Kaiser Karl IV. kniet in prächtigem Ornat vor Maria mit dem Jesuskind. Ausschnitt aus einer Votivtafel. (Foto: Nationalgalerie Prag)

28.10.2016

Talentierter Selbstdarsteller

Eine große tschechisch-bayerische Ausstellung verdeutlicht die Bedeutung von Kaiser Karl IV.

Städte, Burgen und Brücken tragen heute noch seinen Namen, Straßen und Plätze sind nach ihm benannt: Karl IV., König von Böhmen und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, war der einflussreichste Kaiser des späten Mittelalters und ist bis heute in Europa allgegenwärtig. Nicht nur in Prag, wo er seinen Hauptwohnsitz hatte, sondern auch in Nürnberg, wohin er 52 Mal reiste und länger verweilte und wo er – nach Prag – die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Zu seinem 700. Geburtstag, er lebte von 1316 bis 1378, widmen ihm die Nationalgalerie Prag und das Haus der Bayerischen Geschichte München eine opulente Ausstellung, die – nach ihrem Start in Prag – auf ihrer zweiten Station im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zu sehen ist.

Angst vorm Weltuntergang

Es waren schwere Zeiten, in die der – auf den Namen Wenzel getaufte – spätere Kaiser Karl IV. 1316 in Prag hineingeboren wurde. Das mittelalterliche Europa war im Umbruch; die fürstlichen Dynastien stritten um die politische Vorherrschaft in Europa, lagen aber auch mit dem Vatikan im Streit um die weltliche Vorherrschaft, die ihnen der Klerus und die Päpste in Rom (und zu Zeiten von Karl IV. auch im französischen Avignon) streitig machten und ihre geistliche Macht über deren säkulare und politische Herrschaft stellten. Dazu kamen folgenschwere Krisen und Katastrophen: Ein Klimawandel kündigte eine kleine Eiszeit mit Überschwemmungen an, die wiederum zu Missernten und schweren Hungersnöten führten. Die Pest, Seuchen und Epidemien wüteten – ein Drittel der europäischen Bevölkerung ging daran zugrunde. Kometen und Erdbeben wurden als Zeichen der kommenden Apokalypse gedeutet – eine Weltuntergangsstimmung verbreitete sich. Vor diesem düsteren Hintergrund, den die chronologisch konzipierte Ausstellung mit Bildern und Dokumenten der Zeit an den Anfang stellt, entfaltet sich ein Sitten- und Gesellschaftsgemälde des späten Mittelalters, das in der Herrschaft Karl IV. gipfelte. Es folgte eine Epoche, die dank seiner Staatskunst ziemlich friedlich blieb. Karl IV. galt als weiser Herrscher, wurde aber auch als „Karl der Listige“ und „Pfaffenkönig“ (wegen seines geschickten Verhandelns mit Rom) apostrophiert.

Faible für Reliquien

Dabei war der 1355 in Rom zum Kaiser Gekürte nicht nur ein Diplomat, der das Reich, nicht zuletzt dank seiner Heiratspolitik, zu mehren wusste, sondern auch ein gekonnter Selbstdarsteller. Er gilt als einer der meistporträtierten mittelalterlichen Herrscher, was man anhand einiger großer Gemälde, Büsten und anderer Darstellungen nachvollziehen kann.
Von einem besonderen Faible Karls künden in der Ausstellung die kostbaren, aus Edelholz und Elfenbein gefertigten und mit Gold und Silber beschlagenen Reliquiare; denn Karl war ein Reliquien-Sammler, der wohl nicht zuletzt damit seine Frömmigkeit vor dem Volk unter Beweis stellte, das diese Relikte der Heiligen oder gar von Jesus und Maria verehrte. Seine Vorliebe für die Bildung, Künste und Wissenschaften schlug sich in der Gründung bedeutender Universitäten nieder wie etwa 1348 in Prag, die als die älteste Universität nördlich der Alpen gilt. Karl IV., der auch der französischen Mode zugetan war und fünf Sprachen beherrschte, war der polyglotte Intellektuelle unter den Potentaten seiner Zeit. Ein Höhepunkt der Ausstellung ist ein Exemplar der Goldenen Bulle, eine Art Grundgesetz des Kaiserreichs, von Karl in seiner Autobiografie als „unser keiserliches rechtbuch“ beschrieben. Dessen erste 23 Kapitel wurden in Nürnberg erarbeitet und am 10. Januar 1356 auf dem Nürnberger Hoftag verkündet. Dieses wichtigste Verfassungsdokument des Mittelalters regelt die Wahl des Kaisers durch die Kurfürsten, woran das bis heute täglich Schlag zwölf auf dem Turm der von Karl IV. begründeten Frauenkirche auf dem Nürnberger Hauptmarkt stattfindende „Männleinlaufen“ der sieben Kurfürsten, die Karl IV. huldigen, erinnert.

Über Leichen gegangen

Die Schattenseiten der Herrschaft Karl IV. dokumentiert die Ausstellung auch. Mit seiner Geldbeschaffungspolitik ging Karl buchstäblich über Leichen, wenn er Pogrome gegen Juden dazu nutzte, deren Besitz für das Reich und seine Zwecke in Anspruch zu nehmen. So wurde der Jüdische Friedhof in Nürnberg unter Karl IV. aufgelöst, um dem bis heute dort befindlichen Hauptmarkt Platz zu machen. Woran in der Ausstellung der sogenannte Nürnberger Judenstein erinnert, ein zweckentfremdeter steinerner Tora-Aufsatz, der für eine Wendeltreppe in der Lorenzkirche als Stufe verwendet wurde. Gleichwohl demonstriert die Ausstellung, wie wichtig die Reichsstadt Nürnberg Karl IV. war. Sie galt dem kaiserlichen Herrscher als „die vornehmste Stadt des Reiches“. (Fridrich J. Bröder) Information: Bis 5. März. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. Di. bis So. 10-18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr. www.gnm.de
Der Katalog zur Ausstellung erscheint Ende November.

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