Kultur

Eröffnungsfeier im Haus der Kunst. (Foto: BSB Bildarchiv)

14.07.2017

Tempel für Kitsch und Heroik

Vor 80 Jahren wurde in München das Haus der Kunst mit viel Tamtam und einer dubiosen Kunstausstellung eröffnet

Während über den Umbau, der nach dem Entwurfsstand auch als Rückbau gesehen werden kann, heftig diskutiert wird, begeht das Haus der Kunst einen denkwürdigen Jahrestag. Am 18. Juli 1937 hatte Hitler das erste repräsentative Bauwerk des Dritten Reichs als „Haus der Deutschen Kunst“ eröffnet: mit einer für die nationalsozialistische Kunst wegweisenden Großausstellung. In Erinnerung daran präsentiert das Haus einen Workshop und den Band Geschichte im Konflikt, der am konkreten Beispiel den ideologischen Gebrauch von Kunst dokumentiert. Dass diese Geschichte nicht erst vor 80 Jahren begonnen hat, zeigen auch zwei Propaganda-Filme, die Sabine Brantl, die Historikerin des Hauses, in einem Archiv in Tübingen gefunden hat. Schon im Jahr der Machtergreifung hatte sich Hitlers Wahlheimatstadt München mit der Schande nationalsozialistischer Kulturpolitik belastet. Im April 1933 unterzeichneten namhafte Kulturträger ein Papier, das den Wahlmünchner Thomas Mann denunzierte. Am 6. Mai sahen 50 000 Schaulustige auf dem Königsplatz die erste Bücherverbrennung im neuen Reich. Dann wurde der 15. Oktober zum „Tag der Deutschen Kultur“ proklamiert. In einem Film sieht man, wie der „Führer“ und Reichskanzler am Morgen des gleichen Tages gravitätisch, unter Geläut aller Glocken, zur Grundsteinlegung seines „Hauses der Deutschen Kunst“ durch die Prinzregentenstraße schreitet. „Es ist herrlich, in einer Zeit zu leben, die ihren Menschen große Aufgaben stellt“, schwärmte er. Unter Berufung auf Ludwig I. verkündete er, München solle „wieder werden Hauptstadt der deutschen Kunst“. Dann hob Hitler einen silbernen Hammer und schlug auf den Grundstein – wobei der Stiel brach. Nur in britischen Zeitungen konnte man vom „Shock for Hitler“, vom „smashed silver hammer“ lesen.
Am Nachmittag bewegte sich ein Festzug unter dem Motto „Glanzzeiten deutscher Kultur“ durch ein Meer von Fahnen und Girlanden, vorbei an flammenden Altären und Symbolen künstlerischen und handwerklichen Schaffens. In Grün und Gold gewandet waren die 18 Männer, die das von Paul Ludwig Troost entworfene Riesenmodell trugen, das das Haus der Deutschen Kunst zeigte. Es sollte binnen vier Jahren am entlaubten Rand des Englischen Gartens entstehen.

Drei Kilometer langer Zug

„2000 Jahre deutscher Kultur“: Dieses Motto bestimmte Hitler persönlich für den nicht minder pompösen, 3000 Meter langen Festzug, der am 18. Juli 1937 die von allen Sendern übertragene Eröffnung des Säulentempels begleitete. Zahllose Kunstgewerbler gestalteten die Nazi-Prozession unter Anleitung regimetreuer Künstler: Hermann Kaspar durfte noch lange an der Kunstakademie lehren, bis er 1968 von rebellischen Studenten bloßgestellt wurde. Der Architekt Georg Buchner, der eifrig für die Nazis entwarf, wurde gleich nach dem Zweiten Weltkrieg von der Stadt Dachau mit dem Entwurf eines Totenmals für die KZ-Opfer beauftragt, wie Sabine Brantl in ihrem Buch Haus der Kunst, München anmerkt. Die Ausführung verhinderten dann doch die US-Militärbehörden. In Münchens Prachtstraßen flatterten zwölf Meter lange Hakenkreuzfahnen. Die Bahnhofshalle war mit bunten Tüchern und goldenen Lorbeerkränzen behängt. Alle Baudenkmäler wurden bestrahlt. Und für jede Wohnung der Straßen, die der von braunen und schwarzen Marschblöcken begleitete Festzug passierte, mussten zehn Leuchtbecher gekauft werden. Was in der ersten repräsentativen Ausstellung im neuen Haus gezeigt wurde, war von Kitsch und heroischem Kunstgebaren nicht weniger aufgeblasen als das festliche Drumherum. Da dominierten Landschaftsidyllen, Stillleben, Bauernleben, Arbeiterleben, Porträts (der Führer in Ritterrüstung), riesige Muskelmänner in Stein und nicht zuletzt Bilder mit viel nacktem Fleisch, deren Schöpfer Adolf Ziegler insgeheim als „Meister des Schamhaars“ verspottet wurde.

Brüllend im Rollstuhl

In letzter Kontrollinstanz ausgewählt hatte die Werke von 554 Künstlern der NS-Cheffotograf Heinrich Hoffmann, der in einem motorisierten Rollstuhl durch die Säle raste und jeweils „angenommen“ oder „abgelehnt“ brüllte. So blieb nur Banales. Moderne Kunst, Weltkunst, war verschwunden, abgesehen von ein paar Nachzüglern der Neuen Sachlichkeit. So ließ der einstige Münchner Postkartenzeichner „A. H.“ vor „führenden Männern“ der Partei und anderer Gliederungen der NS-Gesellschaft an jenem Sonntag drohend wissen: „Wir werden einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen gegen die letzten Elemente unserer Kulturzerstörung.“ (Karl Stankiewitz)

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