Kultur

Sour Angelica (Ermonela Jaho) im Todeskampf. (Foto: Wilfried Hösl)

22.12.2017

Todestrunkener Rausch

In Puccinis „Il trittico“ an der Bayerischen Staatsoper gestaltet Ermonela Jaho die Titelfigur der Sour Angelica höchst eindrücklich

Ein grell leuchtendes Kruzifix fährt in die Szene. Am Boden windet sich die fromme Schwester Angelica vor Schmerzen. Sie hat Gift geschluckt und bittet angesichts der Todsünde um Vergebung. Im Schein des Kreuzes sind eine Frau und ein Kind zu erkennen. Es ist die harte Fürstin, die im Nonnenkloster aufgetaucht war und Angelica berichtet hatte, dass ihr Sohn verstorben sei. Mit dieser Szene aus dem Einakter Suor Angelica erreicht die Neuproduktion von Giacomo Puccinis Il trittico an der Bayerischen Staatsoper in München ihren Höhepunkt. Dahinter verbirgt sich ein Kurzopern-Triptychon, das zudem Il tabarro sowie Gianni Schicchi vereint. Wie Ermonela Jaho die Titelpartie der Schwester Angelica ausgestaltet, ist ein bleibendes Ereignis. Mit zartem Timbre gelingt der Sopranistin eine weltentrückte Gebrochenheit. Bei der Premiere wurde sie ähnlich frenetisch gefeiert wie Kirill Petrenko. Für ihn war es die erste Puccini-Premiere in München. Scharfsinnig brach Petrenko mit Hörklischees. Aus dem Bayerischen Staatsorchester erwuchs eine schier atemlose Spannung mit glasklarer Durchhörbarkeit.

Werkgetreue Regie

Für die Regie wurde Lotte de Beer verpflichtet. Als einstige Meisterschülerin von Peter Konwitschny ist sie für sozialkritische Deutungen bekannt. Ihr Münchner Trittico gibt sich hingegen fast schon werkgetreu.
Für die Inszenierung hat Bernhard Hammer einen quadratischen Korridor entworfen. Durch das Licht (Alex Brok) und die Kostüme (Jorine van Beek) entstehen differierende Atmosphären. In Il tabarro wirkt die Szenerie düster, was zum tödlichen Liebesdreieck zwischen Michele, seiner Ehefrau Giorgetta und ihrem Liebhaber Luigi passt. Gleich zu Beginn wird ein Kindersarg fortgetragen, ein Motiv für den Ehebruch Giorgettas: der Tod des gemeinsamen Kindes. Am Ende wird der Sarg mit der Leiche des von Michele erwürgten Luigi fortgetragen. Leider entwickelt zuvor der tödliche Zweikampf zwischen den Männern nur bedingt dramatische Wirkung. In dieser Szene weiß Luigi, dass er vor Michele seine Liebe zu Giorgetta leugnen muss, um nicht zu sterben. Er kann es nicht. Dieser dichte Moment spielt sich weit im Hintergrund ab, und die Leiche Luigis dreht sich einmal kopfüber im Quadrat. Dafür aber machte der Gesang eine besondere Psychologie hörbar. Im reifen Timbre von Eva-Maria Westbroek wirkte Giorgetta fast schon mütterlich, zumal in Verbindung mit dem jugendlichen Tenor von Yonghoon Lee. Zu Luigi entwickelt Giorgetta eine Art Ersatz-Fürsorge, um über den Tod des Kindes hinwegzukommen. Das raue Timbre von Wolfgang Koch ließ wiederum Michele nicht nur brutal erscheinen, sondern zugleich schmerzlich verwundet. Generell glänzte diese Premiere mit einer klugen Wahl der Solisten, was auch für Gianni Schicchi galt. Den Erbschleicher-Klamauk inszeniert Beer als bunte Maskerade, in der Ambrogio Maestri die Titelpartie mit viel Humor und Gerissenheit würzte. Von seiner Tochter Lauretta wird er ähnlich schlau um den Finger gewickelt. So sang Rosa Feola die berühmte Arie O mio babbino caro nicht tragisch leidend, sondern mehr frech. Sie möchte Rinuccio (solide: Pavol Breslik) heiraten, und dazu bezirzt sie ihren Vater. Der eigentliche Höhepunkt war jedoch Suor Angelica. Hier lässt Beer Kammertheatralik wirken. Davon profitierte der verbale Zweikampf zwischen der harten Fürstin von Michaela Schuster und der leidvoll zerbrechlichen Angelica von Jaho. (Marco Frei)

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