Kultur

Dem Ausbruch des 30-jährigen Kriegs vor 400 Jahren wird in den Fränkisch-Schwäbischen Reichsstädten mit einer gemeinsamen Jahresinitiative gedacht: Die Stadtoberhäupter Bernhard Kisch aus Bad Windsheim, Hermann Faul aus Nördlingen, Dr. Christoph Hammer aus Dinkelsbühl und Walter Hartl aus Rothenburg ob der Tauber (v.l.) im Museum Haus der Geschichte in Dinkelsbühl, das sich unter anderem dem 30-jährigen Krieg mit seiner Zerstörung widmet. (Foto: Große Kreisstadt Dinkelsbühl)

22.11.2017

Tragischer Sturz

Vier ehemalige Reichsstädte erinnern an den Ausbruch des 30-jährigen Kriegs vor 400 Jahren

Bad Windsheim, Dinkelsbühl, Nördlingen und Rothenburg ob der Tauber, vier Reichsstädte im Auge des Orkans: So stellte sich die Lage im 30-jährigen Krieg in der Region dar. Die Schrecken des europaweiten Konflikts brachen sich in diesem kleinen Gebiet im Westen des heutigen Bayerns mit voller Gewalt Bahn. 2018 jährt sich jenes Ereignis zum 400. Mal, das den Sturm über Europa entfachte: der Prager Fenstersturz. Danach näherte sich die Katastrophe langsam aber stetig der Region von Bad Windsheim bis Nördlingen. Zunächst plünderten und raubten sich die Heere auf dem Weg zu den Schlachten durch die Gebiete. So lagen 1624 vor den Mauern Dinkelsbühls kaiserliche Regimenter mit 1200 Mann. Eine Söldnergruppe verschlang in drei Tagen den gesamten Vorrats- und Viehbestand des spitaleigenen Schafhofes. Beim Abmarsch plünderten sie den Hof, zerschlugen die Fensterscheiben, machten aus dem Fensterblei Schrotkörner und schossen damit die Tauben von den Dächern. „Die Einwohner Dinkelsbühls standen vor dem Nichts“, so Dinkelsbühls Oberbürgermeister Christoph Hammer. Ab 1631 kam es dann auch rund um Rothenburg ob der Tauber und Dinkelsbühl zu Kampfhandlungen und in der Folge zu einem beispiellosen Aderlass in der Bevölkerung. In den Städten wüteten zudem Seuchen. Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung büßten die Gemeinden ein. „Von 1632 bis 1634 sind in Windsheim ca. 3250 Einwohner verstorben, in Windsheim gab es nur noch 50 Bürger und ein Pferd, 250 Häuser standen  leer“, schildert Bad Windsheims Bürgermeister Bernhard Kisch die damalige humanitäre Katastrophe. „Rothenburg ob der Tauber sah sich als Reichsstadt zwar stets dem Kaiser verpflichtet, stand aber auf der Seite der Union und hoffte auf Entsatz durch die Schweden gegen die kaiserlichen Truppen Tillys“, so Oberbürgermeister Walter Hartl.  Sein Kollege aus Nördlingen, Hermann Faul, verweist auf die Auswirkungen der lokalen Ereignisse auf Europa: „Die Niederlage der schwedischen Armee in der Schlacht bei Nördlingen am 6. September 1634 führte schließlich zum Eintritt Frankreichs in den Krieg.“ Bis heute blickt man also in den genannten Reichsstädten in die grausamen Zeiten des 30-jährigen Krieges zurück, auch ein Beweis, welch massiven Einschnitt jene Epoche in der Entwicklung der Region darstellte. Ob in Landwirtschaft, Kultur oder in der Bevölkerung, weit über den 30-jährigen Krieg hinaus prägte die Katastrophe nicht allein die Entwicklung Süddeutschlands, sondern Europas. Am Ende stand ein Friedensschluss, ganz in der Nähe in der Reichsstadt Nürnberg vollzogen, der schemenhaft die Form des heutigen Europas in einer schrittweisen Herausbildung von Nationalstaaten vorwegnahm. „Die Friedensverhandlungen des Dreißigjährigen Kriegs brachten der Reichsstadt Dinkelsbühl 1649 als Sonderregelung eine paritätische Verfassung mit zwei gleichberechtigten Konfessionen im Magistrat und allen Ämtern. Dies hatte eine tief zerstrittene Bürgerschaft samt Vettern- und Misswirtschaft zur Folge. Die Glaubensfraktionen strengten gegeneinander Gerichtsverfahren vor dem Reichshofrat an. Durch die fortwährenden Kriegslasten wurde das Gemeinwesen völlig ruiniert“, konkretisiert Hammer wie Dinkelsbühl der Krieg vor allem durch Konfessionsstreitigkeiten prägte. Alle vier Bürgermeister sind sich einig, dass ihre Städte heute ein ganz anderes Erscheinungsbild hätten, wenn es diesen verheerenden Krieg nicht gegeben hätte. In allen vier Reichsstädten soll 2018 in Sonderführungen, im Rahmen von historischen Festspielen sowie in Ausstellungen aufgezeigt werden, wie sehr die Epoche des 30-jährigen Kriegs Bad Windsheim, Dinkelsbühl, Nördlingen und Rothenburg ob der Tauber veränderte. Wie durchlebte die Bevölkerung die Leiden? Wie sah der Alltag in den Städten in jener Zeit aus? Gab es einen solchen überhaupt noch? Wie stellte sich die Situation nach dem Jahr 1648 dar? Diesen Fragen können die Besucher auf ihrer Tour in den Reichsstädten nachgehen. Es gibt eigens einen Flyer dafür. (BSZ)

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