Kultur

Die Befreiungshalle – ein architektonisches Inszenierungsmonster. (Foto: Museum)

23.11.2012

Trutzige Teutsche

Eine Regensburger Schau über 150 Jahre Befreiungshalle in Kelheim

Sie ist ein Wahrzeichen der Donaustadt Kelheim und eine der Sehenswürdigkeiten der Region Regensburg. Sie ist aber noch viel mehr: Die Befreiungshalle, Monument der deutschen Nation und zugleich Denkmal der Befreiungskriege, ausgesetzt auf einem Hügel weit oberhalb des Donautals, ist ein Gebäude als augenfälliges Exempel für die monumentale Denkmalsarchitektur des 19. Jahrhunderts und zugleich eine Projektionsfläche für Paradigmenwechsel des deutschen Nationalbewusstseins der vergangenen beiden Jahrhunderte.
Eine Ausstellung im Regensburger Historischen Museum zeigt nun die Geschichte eines Geschichtsdenkmals von der Ursprungsidee des Bayernkönigs Ludwig I. an bis hin zu modernen Vermarktungsmethoden, die selbst Befreiungshallenbiergläser kreiert haben.

Rückwärtsgewandte Utopie

Hinter dem Baukörper, an dem die Architekten Friedrich von Gärtner und nach dessen Tod Leo von Klenze viele Jahre gearbeitet haben, steht ein mehrschichtiges Programm, durch das die Staatsidee Ludwigs I. scheint: Er wollte seinem jungen Königtum, zugleich aber auch der Einheit der deutschen Nation Anker in der Vergangenheit verleihen. Zahlreiche seiner Bauten versinnbildlichen diese Absicht. Feldherrnhalle, Siegestor, Walhalla, Glyptothek, Pinakothek, Staatsbibliothek und eben auch die Befreiungshalle: „Kein anderer Monarch des 19. Jahrhunderts hat mit solch universalem Gesamtheitsanspruch und so systematisch alle Register der Kunst zu bespielen versucht wie König Ludwig I.“, schreibt Ausstellungskurator Christoph Wagner vom Institut für Kunstgeschichte an der Universität Regensburg.
Es war eine eine „rückwärtsgewandte Utopie“, wie der französische Historiker Jean-Paul Bled im üppigen Ausstellungskatalog schreibt. Eine Utopie, die Ludwig I. durch seine Bauten bildhaft werden lassen wollte, indem er „in der Vergangenheit ein Modell der Einheit sucht, die es zu errichten oder wiederherzustellen gilt. Das Mittelalter bot ihm das Modell ... Bei dieser Rekonstruktion der Geschichte ging es vornehmlich um die stimulierende Kraft, die von dieser ausgeht.“ Dazu kam Ludwigs zweite, romantisch geprägte Wurzel, sein Philhellenismus.
So kreierten Gärtner und Klenze schließlich in immer neuen Varianten eine Konstruktion aus griechischen und christlich-mittelalterlichen Komponenten: die Befreiungshalle. Das einigende Band war die Donau, die an der Befreiungshalle vorbeifließt, an der Walhalla, am Regensburger Dom, den der König vollenden ließ – und schließlich in frühhistorischem griechischem Siedelland mündet.
Gewidmet war das Riesen-Denkmal, dieses damals durchaus zeitgemäß mitten in die Natur hineingesetzte Inszenierungsmonster, dem Volk: als Angebot zur Identifikation in und mit Geschichte. Motto: „Moechten die Teutschen nie vergessen was den Befreiungskampf nothwendig machte und wodurch sie gesiegt.“
Aber wodurch eigentlich? Und vor allem: Befreiung wovon? Für Ludwig, kein Franzosenfreund, war die antinapoleonische Stoßrichtung klar, das bewies auch die Einweihung der Befreiungshalle vor 150 Jahren, am 18. Oktober 1863, exakt zum 50. Jahrestags der Völkerschlacht bei Leipzig, die in der Sachsenstadt auch ein „autistisches“ Steinmonument bekam. Derlei „teutsche“ Monumente, auch das Kyffhäuser-Denkmal ist so eines, kreisen ohne großes Bildprogramm bedeutungsschwanger vor allem um sich selbst und bilden eine in sich abgeschlossene, narzisstische Heroenwelt, Stein gewordener Ausdruck eines sich immer mehr absondernden trutzigen Deutschtums.

Charme statt Harm

Spannend ist in der Regensburger Ausstellung deshalb auch die Ausdeutung des Monuments durch die Zeiten hindurch. Stiche, Gemälde, Baupläne, Fotografien, Holzmodelle und Trouvaillen bis hin zu touristischem Schnickschnack zeigen diese Änderungen. Das führt von einem programmatischen Ölgemälde aus dem Jahr 1915 (der Erste Weltkrieg tobte bereits) mit dem Titel „Kaiser Wilhelm II. und sein Besuch der Befreiungshalle“ über die übliche nationalsozialistische totalitaristische Überhöhung bis hin zu Alfons Goppel. Der damalige bayerische Ministerpräsident deutete zum 100. Jahrestag der Einweihung des Monuments das Motto zeitgenössisch um: Jetzt seien die Deutschen im „immerwährenden geschichtlichen Ringen der Menschen um Frieden und Freiheit“ wieder gefordert: diesmal gegen die Feinde jenseits des Eisernen Vorhangs.
Danach wandelte sich die Befreiungshalle zum Hintergrund für Inszenierungen der deutsch-französischen Freundschaft. Und ist – das beweist die Aussstellung gewissermaßen durch sich selbst – heute vor allem eine touristische Attraktion: Charme statt Harm. (Christian Muggenthaler)

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