Kultur

„Surrealer Spaziergang“ nennt Stefano Castellani diese Aufnahme (Ausschnitt), die auf der Piazza San Pantaleo in Rom entstand – im Beitrag sehen Sie die Hängung der Fotografie in der Glyptothek. (Foto: Castellani)

10.11.2017

Ungeheure Stille

Stefano Castellanis Architekturfotografien von Rom lassen die Skulpturen in der Münchner Glyptothek beseelt erscheinen

Woher kennt man das nur: Hier ragt ein hoher runder Kamin auf, dort scheint eine schwarze Silhouettenfigur zwischen antikischen Säulen und Giebeln zu wandeln. Richtig, diese Motive in den Fotografien von Stefano Castellani erinnern an Gemälde von Giorgio de Chirico. Aber daneben gibt es noch etwas anderes, das auf den Meister der italienischen „Pittura metafisica“ verweist: jene ungeheure Stille, die uns nachgerade entgegengellt aus Castellanis Fotos, die in der Münchner Glyptothek zu sehen sind. Der römische Fotograf (1966 geboren) hat für die Bilderserie Lo sguardo verso l’alto nämlich einen verblüffend ungewohnten Blick auf seine Heimatstadt geworfen: Wie der Titel sagt, einen Blick in die Höhe. Für viele Fotos muss sich Castellani tatsächlich auf den Boden gelegt und die Kamera senkrecht gen Himmel gehalten haben, der oft das Zentrum der Bilder ausmacht, um das herum dann die steil hochschießenden Häuserfassaden gruppiert sind. Kein Wunder, dass dem Betrachter dieser aufragenden Altbauten manchmal fast schwindlig wird – falls die schrägen Veduten nicht gleich vexierbildhaft in pure Abstraktion umschlagen, in spannungsvolle Kompositionen aus ineinander verschränkten hellen und dunklen Flächen. Besonders deutlich wird das bei der Aufnahme, die den römischen Bahnhof zeigt: die moderne, rechtwinklige Fassade der Stazione Termini wird hier zur reinen Grafik aus grell kontrastierenden Licht- und Schattenlinien.
Vor allem aber verwandelt Castellanis buchstäblich abgehobene Sichtweise die Architektur der Ewigen Stadt in ein halb unwirkliches Zwischenreich. All die eigentlich vertrauten Säulen, Arkaden, Gesimse wirken mit ihren messerscharfen Licht-Schatten-Konturen wie aus der Zeitlosigkeit gestanzt. Zum Eindruck einer seltsam entrückten, surrealen Welt trägt bei, dass auf den Bildern nie Menschen zu sehen sind – ein besonders starker Verfremdungseffekt angesichts der kraftvollen, sprühenden Vitalität der italienischen Hauptstadt.

Aura der Wehmut

Mit diesem Drall ins Ideale, der alles Kreatürliche bewusst ausblendet, passen die Fotos perfekt zu den steinernen Göttern in der Glyptothek. Auch in ihrer Schwarz-Weiß-Noblesse und diskreten Anmut korrespondieren die Bilder mit den antiken Skulpturen. Andererseits steht ihre bizarre Perspektive im starken Kontrast zur ausgewogenen Harmonie der Statuen, denen alles Exzentrische, Manieristische wesensfremd ist. Und gelegentlich scheint die Stimmung der Bilder sogar auf die Figuren einzuwirken: wenn man einzelne Marmorköpfe und -leiber direkt in Kombination mit einem Foto betrachtet, haftet den Antiken unversehens ein bei ihnen ganz ungewohnter melancholischer Ausdruck an. So als seien sie in den Sog einer Beseeltheit geraten, die ihnen sonst abgeht – und als habe die plötzliche Sichtbarkeit dieses Mangels sie in eine Aura der Wehmut getaucht. (Alexander Altmann) Information: Bis 14. Januar. Glyptothek, Königs platz 3, 80333 München. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. bis 20 Uhr.

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