Kultur

Eine der „Muschelfrauen“ aus der Werkstatt von Paola Ceccarelli. (Foto: Hans Gärtner)

18.07.2016

Unter den Muschelfrauen

In Altöttings Stadtgalerie stellt die "Neo-Realistin" Paola Ceccarelli Weibliches zur Schau

„Für die Muschelfrauen hätte ich folgenden Vorschlag: Beim Herumgehen bekam die Plastik durch die unterschiedliche Beleuchtung etwas Lebendiges. Könnte man nicht die kleinen Frauen auf eine drehbare Unterlage stellen, sodass die Figur durch den Wechsel der Beleuchtung `lebendig`-beweglich wird. Die Dramatik des Ausdrucks wird durch die Drehung und den Wechsel der Beleuchtungsdynamik `lebendig`…“ – Wer der Ausstellungsleitung der Stadtgalerie Altötting diesen guten Rat der Präsentation ins Gästebuch schrieb, ist nicht zu entziffern, tut auch nichts zur Sache. Jedenfalls darf sich Paola Ceccarelli, die Künstlerin, die hier unter dem italienisch formulierten Titel „donna acqua terra“ viel Weibliches zur Schau stellt, über derartige förderliche Vorschläge aus dem Publikum freuen. Nicht etwa, dass die Kunstwerke aus Bronze oder Ton unbefriedigend präsentiert würden – im Gegenteil. Ausleuchtung und Anordnung der künstlerisch herausragenden, vor allem Anfang der 2000er-Jahre entstandenen Skulpturen der aus Rimini stammenden und heute noch dort arbeitenden 61-jährigen Bildhauerin könnten optimaler nicht sein. Die Verteilung der sich freilich stark ähnelnden Werke – manche stehen auf rostigen Stellagen und fügen sich, thematisch zusammengehörend, zu einem schönen Ensemble, andere wieder stehen, auf Holzsockeln, für sich allein – ist rhythmisch akzentuiert und stimmt den Besucher, der keineswegs mit lauter fröhlichen Physiognomien, wenngleich mit sportlich sich drehenden, windenden oder schwingenden Frauenkörpern konfrontiert wird, heiter. Beeinflusst von dem aus Faenza stammenden Künstler Dario Poppi, dem Paola Ceccarelli vor 40 Jahren begegnete (und den sie heiratete), formt die aus tiefer Seele und ernstem, christlichem Glaubensverständnis heraus gestaltende Oberitalienerin vor allem weibliche Figuren. Sie lässt sie aus wie Lavafluss erstarrbarem Grundmaterial heraustreten – plötzlich formen ihre Hände Gesicht und Leib. Man wähnt sich in einem gesteinsreichen Stück Berglandschaft und begegnet zu seiner eigenen Überraschung archaischen, aber dennoch zeitnahen Frauengestalten. Paola Ceccarelli kann, wie aus dem geschmackvoll edierten Katalog (in italienischer Sprache, mit einer ins Deutsche übersetzten Kurzfassung des philosophisch und theologisch weit ausholenden Textes) hervorgeht, dem „nuovo realismo“ zugeordnet werden. Ihre jugendlichen Gestalten sind schlank, tänzerisch, bewegt, in freudiger Erwartung eines Kindes, während ihre alten Figurinen, breitbeinig dahockend, grüblerisch anmuten, in sich versunken, weltenfern wie greise Prophetinnen. Niemals wird man fragen müssen: Was soll dies oder das bedeuten? Erstens stehen die Themen jeweils beim Exponat, zweitens ist man sich, auch ohne Beschreibungs-Hilfe, im Klaren über das an den 40 Exponaten Gezeigte. Besonders eindrucksvoll: die Gruppe der Muschelfrauen, die eine(n) Besucher(in) zum eingangs zitierten Gästebucheintrag anregten. Ceccarellis „donne-conchiglie“ seien, so der Interpret Massimo Borghesi, eher „unförmig“. Wie treffend der Kunsthistoriker Borghesi es ausdrückt: „Sie lösen sich förmlich aus dem Kokon der Materie, treten aus ihm heraus als warteten sie darauf, vollendet zu werden und dem Schicksal des Staubs zu entkommen. Die Figuren wirken modern, zarte Sensibilität zeichnet sie aus …“ (Hans Gärtner)

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