Kultur

Sir András Schiff begeisterte in Neumarkt mit einem Miniaturen-Zyklus. (Foto: Fritz Etzold)

09.01.2017

Unterhaltsames Konzept

Große Gefühle in Miniaturen: András Schiff-Matinée im Neumarkter Reitstadel

Wer die gestrige Matinée mit András Schiff im Neumarkter Reitstadel versäumt hat, hat etwas ganz Besonderes verpasst. Das Konzept schien auf den ersten Blick befremdlich und gewagt: weit über ein halbes Hundert an Miniaturen, Inventionen, Einfällen. Damit wollte der ungarische Pianist Sir András sein Publikum aber nicht allein lassen und bekannte: „Es ist mir eine große Freude, Programme zu machen“,  erklärte, was Bach und Bartok, Janacek und Schumann für ihn miteinander verbindet: „Rubato und Parlando sind die wichtigsten Elemente des Klavierspiels“, will sagen: Das Sprechende, Erzählende von Musik, die Vermittlung von Gefühlen, von Punkt und Komma, Ausrufe- und Fragezeichnen. Und des besonderen Duktus‘ einer National- und einer Komponistensprache: Da war der gebürtige Ungar Schiff für den rumänischen Ungarn Bartok Bela natürlich der richtige Mann: „Das wäre mein Ziel, dass Sie irgendwann nicht mehr wissen, wo Bach aufhört und Bartok anfängt.“ Und so wirbelte er dann Bachs zweistimmige Inventionen in Fünferblöcken, einige von Bartoks Stücken „Für Kinder“, Burlesken und Rondos durcheinander. Ohne dass sie ihre Charakteristika verloren, aber deutlich wurde, was an Emotionen und Sprachhaltungen damit verbunden ist: das Scherzo- oder Rokokohafte von Bachs Inventionen, Bartoks den bäuerlichen Volksweisen abgelauschte Szenerien. Das alles war geschickt und konzeptionell ausgewählt, und man erlebte mit Schiff einen äußerst unterhaltsamen Bach-Erzähler und authentischen Bartok-Interpreten. Was nur je Sprache an Farben und Varianten haben kann, seine unübertreffliche Anschlagskunst übertrug sie auf diese Miniaturen, auf brillante Feuerwerke bei Bach oder die ungarische Idiomatik bei Bartok. Schiff beherrscht  die Dramaturgie der aufgekratzten Burlesken, schöpft Sprache und Musik bis in  Extrembereiche aus: bis zu den zärtlichen Bach-Arpeggien oder ihre barock-kraftvolle Lebensfreude, Bartok erschien immer wie eine logische Fortsetzung davon. Dieses synästhetische Erlebnis wurde noch gedoppelt in Leos Janaceks Zyklus „Auf verwachsenem Pfade“ mit seinen Anklängen an die letzten Spuren von Spätromantik, von Impressionismus‘ und tschechischem Jugendstil. Dessen Denken und Fühlen in Bildern und Szenen kommt Schiffs Stil entgegen: „Wenn ich spiele, stelle ich mir Bilder vor.“ In Schumanns „Davidsbündlertänzen“ waren das für Schiff  ganz offenbar die romantischen Vorstellungen und Kulissen, die Schumann später in seinen Liedern weiterentwickelt hat: unerschöpfliches thematisches Material. So musste man bei dieser Matinée („Neumarkter Konzertfreunde“) immer wieder dieses intelligente, kenntnisreich durchdachte Konzept bewundern und die Kunst von Sir András Schiff, kein kühles Konstrukt daraus zu machen, sondern einen emotional packenden, erzählerisch farbigen und abwechslungsreichen Zyklus von Miniaturen,  einen geradezu erschöpfenden Gefühlsansturm. Bei den Salzburger Festspielen im kommenden Sommer wird Schiff dieses Konzept an drei Abenden im Mozarteum auffalten. (Uwe Mitsching)

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