Kultur

Nicolai Karnolsky gibt den Bariton-Bösewicht, den Superkargo Georg Lauffer, eher blass. (Foto: Olah)

15.10.2010

Utopische Suche nach dem Glück

Detlev Glanerts „Das Holzschiff“ in Nürnberg uraufgeführt

Die „Venus Anadyomene“, die „aus den salzigen Wellen auftauchende Göttin“ als Galionsfigur des Frachters hätte man laut Libretto sehen sollen, als die Dämonen Schiff und Mannschaft „zum Meeresgrund“ ziehen. Aber wenigstens das wusste man von Anfang an, dass etwas mit diesem Holzschiff nicht stimmt: „Etwas Verbrecherisches haftet dem Schiff an“, singt der Koch, und: „Ein Raum der Verführung“. Wie geheimnisvolle Lemuren hatte ja schon im Hafen die Besatzung große Kisten an Bord geschleppt. Und Gustav hatte sich als blinder Passagier ein großes Leck in die Bordwand geschlagen, um mit seiner Verlobten Ellena auf große Liebes-/Venusfahrt zu gehen.
Damit fängt Detlev Glanerts (50) neue Oper an, die am Staatstheater Nürnberg ihre Uraufführung hatte: Christoph Klimke hat das Opernlibretto von Das Holzschiff nach dem ersten Teil von Hans Henny Jahnns Romantrilogie Fluss ohne Ufer geschrieben, die 1936 noch eine Reaktion auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs war. Glanert: „Ich habe Das Holzschiff schon vor 20 Jahren gelesen und wusste, dass das mal eine Oper werden würde. Gerade das Sperrige hat mich daran interessiert, diese utopische Suche nach Glück, Jahnns großes Thema.“
Entstanden ist ein anderthalbstündiger, sehr komprimierter, spannender Einakter. Bühnenbildner Bernhard Hammer hat das „Sperrige“ des „Holzschiffs“ wörtlich genommen und ein Sperrholz-Bühnenbild gebaut mit einem Rahmen wie Laubsägearbeit: sehr praktisch für die vielen Verwandlungen von neun Bildern, aber ohne alles Düster-Geheimnisvolle dieser kruden, expressionistischen Geschichte von Eros und Thanatos, in deren Verlauf die Braut verloren geht, der Bräutigam ein Verhältnis mit dem Leichtmatrosen Tutein beginnt und die geheimnisvolle Ladung sich als Ansammlung leerer Kisten entpuppt. Das Ziel ist nach dem Untergang von Mann und Maus auf einer einsamen Planke der Beginn eines neuen Lebens der beiden verliebten Männer.
In Glanerts Oper werden die von zwei Frauen gesungen: Rückgriff auf die barocke Tradition, besonders aber auf den Rosenkavalier von Richard Strauss. An dessen Tonsprache lehnt sich manches von Glanerts effektvoll instrumentierter Partitur an (auch die Elektra-hafte Komprimierung) – bis hin zum Liebesduett; dem hat Choreograf und Regisseur Johann Kresnik jede Radikalität versagt. Als der Frachter im hereinquellenden Sturzflut-Schaumbad untergegangen ist, treten die beiden „neuen Helden“ an die Rampe und singen zwischen dem rot-goldenen Samt des Opernhaus-Vorhangs ihr „unermesslich blau ist der Himmel“ – leider verschenkt.
Kresnik lässt ohnehin viel an der Rampe spielen und singen, sein Bühneninteresse gilt mehr den Zwischenspielen, die er mit homoerotischen Nackt-Spielen füllt und mit der brachialen tänzerischen Kraft von Breakdance-Amateuren. Durch platte Schwulenerotik, Borderline-Ritz-Orgien, den Mord an einer nackten Schwangeren will er dem Stück provokant aufhelfen: Das sind die eher schwächeren und am wenigsten spannenden Szenen des Abends.

Nachspielen lohnt

Dessen eindeutiger Gewinner ist mit der optimalen Realisierung von Glanerts Partitur das Philharmonische Orchester unter Guido Johannes Rumstadt, einem Glanert-Kenner noch aus seiner Regensburger Zeit: ungemein präsent, mit großen schwelgerischen Momenten, intensiv aufgeladener Spannung, Harfenglissando und Streicher-Liebesspiel.
Mit den sopranseligen Rollen von Gustav (Anna Lapkovskaja) und Tutein/Ellena (Heidi Elisabeth Meier in einer Doppelrolle) gibt es zwei effektvolle Partien, die Holländer-Dämonie des „Superkargos“ (der Bariton-Bösewicht des Stücks: Nicolai Karnolsky) blieb in Nürnberg eher blass.
Eine Oper, eine Parabel auf die Geschichte des letzten Jahrhunderts, die nachzuspielen sich lohnt und dem Publikum gefällt. (Uwe Mitsching)

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