Kultur

Die "Mantelteilung des heiligen Martin" zeigt in ihrer Bildkomposition Ähnlichkeiten mit der "Alexanderschlacht" von Albrecht Altdorfer, der möglicherweise ein Schüler Furtmeyrs war. (Foto: Stadt Regensburg)

24.12.2010

Verspielte Ranken um drastische Bilder

Grandiose Kunst zwischen den Epochen: Regensburg erinnert an den Miniaturmaler Berthold Furtmeyr

Am Anfang war das Wort, und Berthold Furtmeyr hat es ausgeschmückt. Gleich in zwei Versionen kann man derzeit die Miniaturbild gewordene Schöpfungsgeschichte aus der Werkstatt des seinerzeit weit über Regensburg hinaus bekannten Illustrators aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts betrachten. Und befindet sich in der Ausstellung Furtmeyr – Meisterwerke der Buchmalerei in Regensburg dann schon mitten in einer faszinierenden Wiederentdeckung des bedeutendsten Regensburger Künstlers seiner Zeit.
Das war die Absicht der Kuratoren: Den Künstler der kleinen Form, der dennoch so üppigen, ja im wahrsten Wortsinn glänzenden Miniatur- und Buchmalerei, erneut weit über Regensburg hinaus bekannt zu machen. Ein geglücktes Ansinnen.

Schicksalsbuch in Teilen


Der Schreiber kopiert die heiligen Schriften, und Furtmeyr macht sie durch Farben und Goldglanz lebendig: Drei Alte Testamente, Andachtsbücher und wuchtige, wichtige Werke wie das 1478 bis 1489 hergestellte fünfbändige Salzburger Missale mit 48 ganzseitigen Miniaturen und das Heidelberger Schicksalsbuch sind im Historischen Museum der Domstadt zu sehen. Diese beeindruckende Zusammenschau, die alle bedeutenden Furtmeyr-Handschriften versammelt, wird durch den Glücksfall ergänzt, dass das Schicksalsbuch mit seinen astronomischen Tabellen und seinen astrologischen Gradbildern, seinen Verzeichnissen von Sonnen- und Mondfinsternissen und damals so populären Darstellungen von „Planeten und ihren Kindern“, zu Restaurierungszwecken auseinandergenommen wurde und deshalb derzeit ausnahmsweise in Einzelblättern ausstellbar ist.
Umgeben werden die Werke Furtmeyrs in der Ausstellung von Regensburger Kunst vor und nach seiner Schaffensperiode, etwa von Albrecht Altdorfer und Michael Ostendorfer. An diesen begleitenden Werken zeigt sich, wie sehr der Regensburger Meister der Miniatur in einer Umbruchphase lebte.
Furtmeyrs (um 1440 bis 1506/10) Biografie bleibt bruchstückhaft. Nachrichten über sein Leben sind rar. In seinem Werk aber zeigt sich die ganze Bandbreite darstellerischer Möglichkeiten auf dem Weg vom späten Mittelalter in die frühe Neuzeit. Noch einmal werden in prallen, bunten, zum Teil auch recht drastischen Abbildungen religiöse Texte in die Lebenswirklichkeit derjenigen, die die Bücher durchblätterten, transponiert, noch einmal wird wie im „Baum des Lebens und des Todes“ aus dem dritten Band des Salzburger Missales in Bildchiffren aufwändig und detailfreudig religiöse Symbolik eingesetzt, um die Heilsbotschaft dem Kundigen auf einen Blick erkennen zu lassen – bevor die neue, junge Kunst der Druckgrafik in Verbindung mit dem fortschreitenden Buchdruck der teuren, luxuriösen Buchmalerei den Garaus macht und zudem in Verbindung mit dem Protestantismus auch neue Interpretationsansätze biblischer Texte liefert. (Auch die ausgestellten Tafelbilder Ostendorfers bezeugen den Einzug evangelischer Theologie in die Malerei.)
Mit Druckgrafik und Tafelbildern, nicht mehr mit der bis dahin führenden Buchmalerei sollten die Künstler in Zukunft ihre Geschäfte machen. Die Schicht der Käufer und Auftraggeber weitete sich zunehmend auf das Bürgertum aus. Die Bildsprache änderte sich.
Furtmeyrs Werk bildete eine Art Scharnier zwischen Spätmittelalter und Renaissance: Der Maler arbeitete einerseits mit traditionellen Goldhintergründen, die zusammen mit intensiven Farben eine phantastische Leuchtkraft seiner Buchmalereien ergeben. Andererseits standen ihm Darstellungsformen zur Verfügung, die in die Zukunft wiesen. Ein Beispiel dafür ist seine ganzseitige, von vielerlei für Furtmeyr so typischem verspieltem Rankenwerk umgebene Mantelteilung des heiligen Martin: Der dramatische, wolkendräuende Himmel im Bildhintergrund verweist schon auf die Alexanderschlacht seines mutmaßlichen Schülers Albrecht Altdorfer, ebenso wie die Schlachtenbild-Miniatur „Kampf der kanaanitischen Völker“ mit seinem Streitgetümmel auf kleinstem Raum.
Furtmeyrs Miniaturen, die sich in digitalisierter Form in der Ausstellung durchklicken lassen, zeugen von großer Sinnlichkeit und der Neigung zu handfesten Darstellungen. Es gibt Momente lüsterner Erotik ebenso wie grausamer Martyrien: Furtmeyr bannt die Bandbreite menschlicher Existenz, zeigt in kraftvoller Bildsprache, was die Worte der Heiligen Schrift tatsächlich bedeuten – oder ersetzt sie vielleicht sogar.

Ein neues Bild der Epoche

Denn ob etwa seine Bibeln überhaupt als allfällige Lektüre „benutzt“ wurden oder nicht eher Anschauungs- und Luxusobjekte waren, wird derzeit diskutiert. Diese Diskussion ist Teil des Projekts: Ein Hauptaugenmerk legen die Kuratoren auf die wissenschaftliche Begleitung der Ausstellung; der Katalog ist üppig, ein Vortragsprogramm und Symposien dienen dem und berichten vom Forschungsfortschritt. Im Zentrum steht dabei unter anderem eine Art Neustart der Fragestellung nach einer Einordnung des Renaissance-Begriffs in deutsche Verhältnisse und die Suche nach einem neuen Epochen-Bild; inzwischen jedenfalls obsolet geworden ist der Begriff „Donauschule“.
Vor diesem Hintergrund ist es schade, dass die Ausstellungsmacher mit erklärenden Texten sparsam umgegangen sind. Auch sind die Objektbeschilderungen oft ungünstig angebracht und in so kleiner Schriftgröße gehalten, dass sie in den abgedunkelten Räumen nur mühsam bis gar nicht zu lesen sind.
Dennoch wird in Regensburg einem großen Inwohner der Stadt Genüge getan, der in einer Zeit wirtschaftlichen Niedergangs noch einmal für eine Sternstunde der sich neigenden Kunstform der Buchmalerei sorgte. (Christian Muggenthaler)

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