Kultur

„Christus besiegt das Tier und sein Heer“ aus Beckmanns Apokalypse-Zyklus. (Foto: VG Bild-Kunst)

15.10.2010

Verzweifelter Überlebenswille

Das Schlossmuseum Murnau zeigt Beckmanns „Apokalypse“-Zyklus im Kontext der thematischen Aufbereitung anderer Künstler

Es sind Max Beckmanns persönliche Apokalypse und die weltweite Heimsuchung durch den Zweiten Weltkrieg, die sich in diesem Zyklus verbinden: der Künstler im Amsterdamer Exil, die Hoffnung auf eine Emigration nach Amerika zerschlagen, 1941/42 die nationalsozialistischen „apokalyptischen Reiter“ im Sturmlauf über ganz Europa. Das Schlossmuseum Murnau stellt Max Beckmanns Endzeitvision nach der sprachgewaltigen Apokalypse des Johannes-Evangeliums in einer viel besuchten Schau aus.
„Apokalypse angefangen“, notiert Beckmann am 22. August 1941 in sein Tagebuch, vier Monate später: „endgültig Apokalypse“. Es war ein Auftrag des Frankfurter Unternehmers Georg Hartmann, den er umsetzte: Auch der hatte mit Trauerfällen und angeschlagener Gesundheit genug private Apokalypse; Beckmanns Werk war für den engsten Freundeskreis und in kleiner Auflage gedacht. Er verehrte eines der kolorierten Exemplare, schön gebunden und mit der Gegenüberstellung von Text und Bild, 1942 als Weihnachtsgabe der „sehr verehrten und lieben gnädigen Frau“ Liliane von Schnitzler-Mallinckrodt.

Interpretation statt Illustration

An den Wänden des Murnauer Schlossmuseums hängt aber der Urzustand in schwarz-weißer Umdruck-Lithografie. Nur ein Exemplar hat Beckmann selbst koloriert: Das Monochrome erscheint als Ausdruck von Beckmanns Ausweglosigkeit, der Isolation im Exil, des beginnenden Herzleidens und der Weltkriegswirklichkeit.
Auf den Blättern, die weniger Illustration als Interpretation des Bibeltextes sind, begegnet man der typischen Beckmanns’chen Ikonografie, seinem Formel- und Bildvorrat; die schwarz-weiße und die farbige Fassung erscheinen gleich authentisch. Wie auch das Selbstbildnis Der Befreite von 1937, das die Murnauer Kuratoren mitten zwischen die Blätter der Apokalypse gehängt haben; es war das erste Bild, das Beckmann in Amsterdam gemalt hat. Da hatte er am Tag vor der Münchner Nazi-Schau Entartete Kunst Deutschland verlassen, sich hoffnungsvoll noch „Amerika“ auf die Schulter gemalt, sich selbst einen Blick zwischen Schmerz und Hoffnung gegeben und das Gesicht in der Mitte zwischen Hell und Dunkel geteilt.
Beckmann begegnet man auch auf den Blättern des Apokalypse-Zyklus’: etwa bei Nr. 17, wo er mit geschlossenen, „der Seher“ aber mit weit aufgerissenen Augen „das baldige Kommen Jesu“ schaut.

Die Reiter stürmen am Fenster vorbei

Beckmanns Apokalypse ist im Gegensatz zu der von Dürer, dessen Zyklus die Ausstellung als Pendant auch zeigt, kein großes Welttheater, sondern etwas sehr Persönliches: Die vier apokalyptischen Reiter etwa stürmen draußen balladesk vor dem Fenster vorbei, drinnen im Zimmer flackert wie ein Stückchen Hoffnung noch eine Kerze. Beckmann betont den Hoffnungsträger Jesus als Schwerter schwingenden Sieger zu Pferd, Gott ist ein Engel, der dem Gesicht die Tränen abwischt. Damit hat Beckmann für sich und seinen verzweifelten Auftraggeber noch Perspektive und Überlebenswillen zum Ausdruck gebracht.
Ausgehend vom Beckmann-Zyklus weitet die Murnauer Ausstellung die künstlerische Umsetzung des Themas in die Jahrhunderte aus: zu Dürer, Duvet, zur Koberger-Bibel von 1483 und in den Bildervorrat von spätem Mittelalter und beginnender Renaissance. Aber auch in die Romantik mit den heroischen Figuren von Luigi Sabatelli, sie zeigt einzelne apokalyptische Visionen von Kokoschka, Schad, Vogeler, Corinth, die den Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg thematisieren, und schlägt den Bogen bis zur Ruinenfassade aus München von Walter Rose: Apocalypse now. (Uwe Mitsching)

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