Kultur

Vicomte de Valmont (Armin Kahl) vergnügt sich mit seiner Geliebten Joséfine de Fontillac (Anna Thorén). (Foto: Thomas Dashuber)

27.02.2015

Viel Sex, wenig Biss

Gärtnerplatztheater: Erst zum Ende hin entfaltet das Musical "Gefährliche Liebschaften" Sogwirkung

Natürlich ist es nicht ganz einfach, den Skandalroman Gefährliche Liebschaften von Choderlos de Laclos für das Musiktheater zu erschließen. Einige Versuche gab es bereits. Von Conrad Susa stammt beispielsweise die gleichnamige Oper, die 1994 in San Francisco Weltpremiere hatte. Für die Staatsoper Hannover versuchte sich Jörg Mannes mit einem Ballett, und jetzt legte das Gärtnerplatz-Theater in München mit einem Musical nach. Die Uraufführung im Münchner Cuvilliéstheater hinterließ einen zwiespältigen Eindruck, obwohl die Voraussetzungen vielversprechend waren.
Mit dem Komponisten Marc Schubring und dem Autor Wolfgang Adenberg wurde ein erfolgreiches deutsches Musical-Duo beauftragt. Die Choreografie erdachte sich Adam Cooper vom Londoner West End, ein Mekka der internationalen Musical-Szene. Auch die Besetzung ist vom Feinsten. Trotzdem bleiben Fragezeichen.
Das beginnt mit der Konzeption des Musicals. Auf der einen Seite wählten Schubring und Adenberg eine durchkomponierte Form, was für die Gattung Musical durchaus ungewöhnlich ist. Umso konventioneller wirkt jedoch das Abspulen von Nummern – noch dazu ganz artig linear erzählt. Dabei würde die Romanvorlage von 1782 auch andere Erzählhaltungen und Perspektiven erlauben. Schon hier offenbart sich, wie sehr das Musical letztlich der berühmten Verfilmung des Romans von Stephen Frears (1988) folgt. Wie in dieser Verfilmung mit Glenn Close und John Malkovich gerät auch im Musical zudem die Gesellschaftskritik leider ganz in den Hintergrund.
Im Vordergrund der Handlung sowie der Inszenierung des Gärtnerplatz-Intendanten Josef E. Köpplinger stehen vor allem die zahlreichen reibungsvollen Leibesübungen. Die Stoßrichtung ist von Anfang an klar und deutlich ausgerichtet. Eifrig wird gerammelt und gestöhnt, kraftvoll unterstützt vom Orchester unter der Leitung von Andreas Kowalewitz. Passend hierzu hat Rainer Sinell eine reduzierte Bühne entworfen: schwarz mit farbigen Lichteffekten, auf der das Bett im Zentrum steht. Die Drehbühne sorgt für rasche Szenenwechsel, ein großer Deckenspiegel gibt unterschiedliche Perspektiven frei – doch leider wird fast ausschließlich die horizontale Perspektive bedient.

Oberflächlich gestaltet

Das kleine Bett wird zum großen Schlachtfeld für die boshaften Intrigen, die die Marquise de Merteuil (Anna Montanaro) und der Vicomte de Valmont (Armin Kahl) zur Zeit des vorrevolutionären Frankreich aushecken. Zu ihren Opfern zählen die Klosterschülerin Cécile (Anja Haeseli) sowie die strenggläubige Madame de Tourvel (Julia Klotz). Diese degenerierten Intrigen werden nicht schonungslos genug ausgestaltet. Manches bleibt arg an der Oberfläche, so etwa die „Verführung“ der jungfräulich-naiven Cécile durch den Vicomte, die in Wahrheit eine brutale Vergewaltigung ist.
Auch sonst wird die abgründige, dekadente Maskerade kaum als Folge einer total entmenschlichten, entfremdeten Gesellschaft entlarvt. Dafür aber werden bald schon die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern – das Böse lebt fort. Am Ende triumphiert Cécile und entmachtet die schließlich gesellschaftlich geächtete Marquise. Der Vicomte wird größenwahnsinnig, wähnt sich als Gott und scheitert an sich selbst.
Hier wird endlich eine ungeheure Sogwirkung freigesetzt, die das Lachen ersticken lässt. Was bleibt, ist pures Grauen. Warum nicht gleich so? (Marco Frei)

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