Kultur

Die Glasfassade des neuen Theaterbaus gleicht einem großen Schaufenster. (Foto: Staatstheater Nürnberg)

15.10.2010

Vom Ami-Kino zur Staatsbühne

Am 18. Oktober wird der Teil-Neubau des Nürnberger Schauspielhauses eröffnet

Als sich die US-Army vor knapp 60 Jahren in Nürnberg ein Armee-Theater anstelle des in den Bombenangriffen untergegangenen, in der Altstadt liegenden Schauspielhauses bauen ließ, ließen sie das neue Haus symbolträchtig direkt an das Opernhaus anschließen. Dort, in dem neobarocken, jedoch prächtig im Jugendstil ausgestatteten Bau von 1905, hatten sich Hitler und seine NS-Bonzen alljährlich zum Auftakt der Nürnberger Reichsparteitage Richard Wagners Meistersinger von Nürnberg hingegeben, freilich nicht mehr im Interieur des Jugendstil-Dekors, das sie übertünchen ließen.
Das US-Armee-Theater neben dem Opernhaus war weniger Theater als Varieté, lud im Untergeschoss in den „Club Stork“ ein und diente auch als Kino. 1957 wurde das Gebäude, im Volksmund „Ami-Kino“ genannt, der Stadt überlassen, die es im nüchternen Baustil und im Charme der 50er Jahre zum Stadttheater umbaute und das neue Schauspielhaus 1959 eröffnete.
Vor zwei Jahren wurde das vor allem in seiner Technik und seinem Brandschutz völlig veraltete Schauspielhaus – bis auf das Bühnenhaus – abgerissen. Mit dem 38 Millionen Euro teuren Neubau, der mit einem festlichen Staatsakt am 18. Oktober eröffnet wird, entstand – nach Hof, Bamberg und Ansbach – der letzte große Theaterneubau in Bayern, wo in den vergangenen Jahren die Theaterlandschaft mit Renovierungen, Sanierungen und Neugründungen ziemlich umgekrempelt wurde.
Das neue Schauspielhaus für das seit 2005 in den Rang eines bayerischen Staatstheaters erhobene Nürnberger Theater kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen: In seiner Architektur ebenso wie in seiner modernen Bühnentechnik. Mit seiner Glasfassade ist es nicht nur Pendant und Kontrast zum eher düsteren Opernhaus, sondern schließt nahtlos an die transparente, sich nach außen öffnende Schaufensterfront des „Staatsmuseums für moderne Kunst und Design“, des nahe gelegenen Neuen Museums, an.

Container ins Haus geholt

Mit den Worten „Die Kunst kann kommen“ macht Schauspieldirektor Klaus Kusenberg auch auf das gespannt, was sich mit einer ganzen Reihe von Uraufführungen und deutschen Erstaufführungen in der ersten Spielzeit auf der Bühne des neuen Hauses abspielen wird.
Dafür stehen neben dem großen Haus mit seinen 537 Parkettplätzen (der Rang wurde schon bei der Renovierung 1976 entfernt) zwei weitere Bühnen zur Verfügung: die Kammerspiele im Souterrain (205 Plätze) und die variable Blue Box, die den jahrelang vor dem Haus bespielten „Bühnen-Container“ zumindest nominell ins Haus holt. Eine Drehbühne und vier Hub-Podien, die extreme Neigungen und Versenkungen möglich machen, sowie der computergesteuerte Schnürboden mit seinen 51 Zügen und die fernsteuerbaren Scheinwerfer-Batterien eröffnen der Fantasie von Regisseuren und Bühnenbildnern bisher ungeahnte Effekte, über die das Publikum in drei geräumigen Foyers sich das „Maul zerreißen“ oder in Begeisterung geraten kann.
Mit diesem „Befreiungsschlag“, so Schauspieldirektor Klaus Kusenberg, kann das neue Staatsschauspiel Nürnberg an die Tradition des einstigen Nürnberger Stadttheaters anknüpfen. Die sich freilich eher bescheiden gibt, weil „Nürnberg als große Kleinstadt“, wie der langjährige ehemalige Schauspieldirektor und Brecht-Regisseur Hansjörg Utzerath es formuliert, nie eine Theaterstadt war, in der die Öffentlichkeit neugierig auf ihr Theater war.
Dabei waren im Nürnberger Schauspielhaus doch einige Schauspieler und Regisseure am Werk, die einen Namen hatten oder sich nach ihren Auftritten in Nürnberg einen machten: wie etwa Christa Berndl, Doris Schade, Dieter Borsche oder Günter Strack und Luc Bondy, Rainer Werner Fassbinder und Friedl Schirmer.

Neuer Kusz-Renner

Den Vogel im Nürnberger Schauspielhaus schoss allerdings der fränkische Lokalmatador, Lyriker und Stückeschreiber Fitzgerald Kusz ab: Sein fränkisches Mundart-Volksstück Schweig, Bub, das in der Uraufführungsinszenierung von 1976 noch immer auf dem Spielplan steht, zählt zu den absoluten Rennern des Nürnberger Theaters. Kein Wunder also, dass Kusz für die Eröffnungsspielzeit vom Schauspielhaus mit einer Art Fortsetzung beauftragt wurde: Just zur Weihnachtszeit wird sein neues Stück uraufgeführt werden. Dann wird das neue Nürnberger Schauspielhaus wohl im fränkisch eingefärbten Silberglanz von Lametta, so der Titel, erstrahlen – und mitten in der fränkischen Provinz vielleicht auch zu neuen theatralischen Ufern aufbrechen. (Friedrich J. Bröder)

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