Kultur

Biedermeierliches Räuberstück: So idyllisch wie auf dem Gemälde von Johann B. Pflug lebten die Räuberbanden nicht, sie waren nicht so adrett modisch gekleidet, und beim Verteilen der Beute ging es oft heiß her. (Foto: Museum Schloss Ratibor/Stadtarchiv Roth)

02.05.2014

Von fetter Beute träumen

Im Museum Schloss Ratibor bei Roth erzählt eine Ausstellung von mittelalterlichen Galgenvögeln, die in die Fänge der Justiz gerieten

Ausgestellt wurden Gauner früher auch – am Pranger. Und heute in den Prunkräumen von Schloss Ratibor in Roth. Warum das Thema Bettler, Jauner, Galgenvögel – in den Fängen der Justiz gerade in Mittelfranken als Ausstellung aufgearbeitet wird, kann sich der Rother Museumsleiter Guido Schmid mit der mittelfränkischen Kleinstaaterei vor der Mediatisierung erklären: „Da war man immer schnell über die Grenze.“
Räuber haben das Publikum schon immer interessiert. Die Roth-Tüchersfelder Ausstellung hat schnell Beispiele zur Hand: vom Otfried Preußlers Räuber Hotzenplotz bis zu Schillers Die Räuber und Zuckmayers Schinderhannes. Und wenn man aus den Fenstern von Schloss Ratibor auf den mittelalterlichen Schlosshof schaut, kommt die Erinnerung auch noch an Wilhelm Hauffs Wirtshaus im Spessart.
Was bei solchen Räuberpistolen meist nicht zur Sprache kommt: Verzicht, Hunger, Kälte, Krankheit, Tod. Gerade diese Facetten des Themas sind deshalb gefragt im stimmigen Rother Ambiente – auch wenn die Galerie mit ihrem nachempfundenen Renaissance-Dekor eigentlich von 1912 ist und von einem reichen Rother Fabrikanten bezahlt wurde. Um die Veranschaulichung des Räuber & Co.-Themas ist man nicht verlegen. Allein schon, weil der „gesellschaftliche Rand“ dicht bevölkert war: mit Vaganten, Zigeunern, Landfahrern, Hausierern – alles keine klassischen Räuber, aber Umherziehende, die schnell ausbaldowert hatten, wo sich ein Schnäppchen lohnen würde. Andererseits: sie waren mit ihren Gewerben unentbehrlich, und die Sesshaftigkeit an einem einzigen Ort hätte oft den Lebensunterhalt kaum gesichert.

Geld oder Leben!

An Nachwuchs mangelte es diesen Randschichten der Gesellschaft nie: besonders durch den militärischen Bereich – Deserteure, entlassene und ausgemusterte Soldaten. „In einigen Ortschaften verdreifachte sich das Bettleraufkommen innerhalb von zehn Jahren“, weiß eine der vielen Texttafeln der informativen Ausstellung.
Für Robin-Hood-Romantik war im realen Räuberleben kein Platz. Auch wenn der Maler Johann B. Pflug (1785 bis 1866) eine hübsche biedermeierliche Szenerie aus dem Verteilen der Beute macht: Nestroy-Typen, in deren Mitte ein Strizzi von Hauptmann mit der vollbusigen Räuberbraut im Arm. Mit Kindern, Frauen und der ganzen Bande ist das eine richtige Großfamilie.
Was deren Mitgliedern drohte, wenn die Justiz zuschlug, sieht man auf den großen Fenstertransparenten: „Geld oder Leben!“ Erst fuchtelten die Räuber beim Überfall mit Pistolen und bedrohten ihre Opfer mit dem Leben – wenn sie dann selbst mit dem Strafgericht zu tun bekamen, rollten nicht selten ihre eigenen Köpfe. Im nahen Schwabach heißt, wie in vielen Orten heute noch, eine Straße „Am Hochgericht“. Was dort passierte, sieht man in Roth: Da wird der Delinquent gerade gerädert, ein paar Meter hinter ihm baumeln die Gehängten im Sommerwind.
Von vielen Leihgebern (die reichen vom Bauernhof-Museum Coburger Land bis zur JVA St. Georgen in Bayreuth) hat man sich Richtschwerter, Daumenschrauben, Brandeisen, Schandmasken, Halsgeigen ausgeborgt, um dem Publikum von heute die Gruselschauer über den Rücken zu jagen.
In der Alltagssprache hört man noch vieles, was der Justiz von einst entliehen ist: „Die Strafe folgt auf dem Fuß“, „Den Stab brechen“ – alles wird in Schloss Ratibor veranschaulicht.
Trotz unerbittlicher Gerichtsbarkeit, hat sich das Räuberhandwerk anscheinend gelohnt. Was die Frau Räuberin in die „Golen“, die eigens mit Taschen präparierten Unterröcke steckte, war ja vielleicht noch Kleinkram wie ein Silberbecher. Aber mit Spielsteinen veranschaulicht man den Unterschied zwischen ehrlich erworbenem Einkommen und Räuberbeute: da die 8 Taler pro Jahr für eine Magd – dort der große „Coburger Einbruch“ von 1734 mit 5152 Talern. Der Einbruch in Kloster Kaisheim brachte 200 000 Gulden, der größte Kirchenraub aller Zeiten in Lüneburg 10 Pfund pures Gold und Silber, die in einen Altar verarbeitet waren.
Wer danach erst mal verschnaufen muss, für den hat die Ausstellung die Einzelthemen auf Zeitungsseiten zusammengefasst, die man gemütlich wie im Café lesen kann. Und besonders die Kinder werden gleich daneben einen Blick auf das Diorama werfen, das den Gang zur Richtstätte in Amberg zeigt: Da warten nur noch der Geistliche und der Galgen. Den gibt es in Roth auch als Rekonstruktion in Originalgröße: Bis zu „dreischläfrig“ konnte der sein, entsprechend brauchte man eine „doppelte Galgenleiter“ für den vielbeschäftigten Scharfrichter – Rationalisierung bei der Hinrichtung. Zum Volksfest geriet die bei so prominenten Räubern wie dem „Schinder Hannes“: nach dem „Räuber Complot“ von Limburg bis Frankfurt „transportirt“, dort „arretiert“, mit „drei Konsorten“ unter „Bedeckung“ durch französische Soldaten nach Mainz abgeführt.

Vom Blitz gerichtet

Auf den Zeichnungen, Stichen sehen die Herren Räuber genauso aus, wie man sie sich vorstellt. Zum Beispiel der berühmte „schwarze Veri“. Der hat sich im Gefängnis der irdischen Gerechtigkeit entzogen und bei einem schweren Gewitter die eisernen Gitterstäbe angefasst, in die gerade der Blitz einschlug: Da hat ihn der Himmel selbst gerichtet.
Solche Geschichten erzählt die interessante und unterhaltsame Franken-Räuber-Schau zur Genüge – aber auch von der „Spitzbubensprache“, von Kinderdiebstahl und Steckbriefen. Und sie gibt dem einsitzenden Gauner den Rat: „Hoffnung und Geduld“. Wie auf einer Schützenscheibe mit dem Spielmann im Stock. (Uwe Mitsching) Bis 22. Juni. Schloss Ratibor mit Stadtmuseum, Hauptstraße 1, 91154 Roth. Di. bis So. 13 – 17 Uhr. www.stadt-roth.de Abbildungen (Fotos: Museum Schloss Ratibor/Stadtarchiv Roth)
Wer vom Büttel erwischt wurde, hatte sicher selten Gelegenheit, im Kerker sein Lautenspiel zu verbessern, wie auf einer Schützenscheibe dargestellt. Oft rollten die Köpfe...

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