Fremde in der Heimat ist das mehrdeutige Thema des „Filmfestivals Heimat“ (15. bis 18. Januar) im Kommunalen Filmhaus Nürnberg. Das Festival wird alle zwei Jahre durchgeführt vom Bezirk Mittelfranken in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und der Stadt Nürnberg. Ging es 2011 bei der ersten Ausgabe des Festivals um den
Heimatfilm im Wandel der Zeit, untersuchte man 2013 das Thema Heimat und Geschichte im Film – jeweils mit regionalen Bezügen.
Dieses Jahr geht es also um
Fremde in der Heimat – ein Motto, das angesichts der täglichen Ereignisse an Brisanz und Aktualität kaum zu überbieten, dabei aber fast so alt wie der Film selbst ist und damit auch eine historische Dimension hat.
Das zeigt schon der älteste Film des Festivals, Luis Trenkers
Der verlorene Sohn von 1934, in dem Luis Trenker nicht nur Regie führte. Er spielt darin auch den Südtiroler Holzfäller und Skifahrer, der in die USA auswandert, aber nach Jahren, enttäuscht von Amerika, in die Idylle seiner Tiroler Bergwelt zurückkehrt.
Zu antiamerikanisch
Teile des Films drehte Luis Trenker in New York, einige sozialkritische Szenen sogar mit versteckter Kamera: Das brachte dem ursprünglich sehr erfolgreichen Film nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik sogar ein Aufführungsverbot ein – er war zu antiamerikanisch.
Damit schlägt
Der verlorene Sohn eine politische Dimension an, die sich wie ein roter Faden durch die insgesamt 15 Spiel- und Dokumentarfilme des Festivals zieht. Denn der Titel des Festivals,
Fremde in der Heimat, zielt ja nicht nur auf die neue Heimat, die Flüchtlinge hierzulande suchen, aber oft nicht finden.
Fremde in der Heimat heißt ja auch, dass Migranten in ihrer alten Heimat Fremde sind, also Wanderer zwischen zwei Welten, in denen sie nicht mehr oder noch nicht daheim sind.
Langzeitporträt
Das thematisiert vor allem der Dokumentarfilm
Heimaten. 15 Jahre später, ein Film von Gülseren Suzan und Jochen Menzel, die damit an ihren Film
Heimaten – Deutsche Türken von 1995 anknüpft: Sie schildert die Situation von sechs Emigranten in Nürnberg, die sie schon einmal porträtierte, heute, 15 Jahre danach.
Wie Fremde, Flüchtlinge, Emigranten oder Zuwanderer, in Deutschland wahrgenommen und aufgenommen werden, ob sie als Eindringlinge ausgebeutet, unterdrückt, isoliert und ghettoisiert werden, ob ihnen und ihrer Religion und ihrer Kultur Verständnis entgegengebracht wird oder ob ihnen Vorurteile, blanker, rassistischer Hass entgegenschlagen – läuft in den Filmen bei diesem Festival immer auf die Frage der (Mit)Menschlichkeit hinaus.
So betrachtet, sagt Christiane Schleindl, Kinomacherin und Leiterin des Nürnberger Filmhauses, ist die allenthalben wohlfeil apostrophierte „Willkommenskultur“ nichts als eine populistische Politikerphrase, denn Fremde Willkommen zu heißen, sollte eigentlich schon Ausdruck von „Kultur“ sein. So, wie sie sich in dem wohl anrührendsten Film des Festivals darstellt, in
Lapislazuli – im Auge des Bären: Einen Neandertalerjungen verschlägt es aus der Steinzeit in die Jetztzeit, wo er nur durch die Freundschaft und die Liebe eines Mädchens gerettet und in seine Heimat, in seine Höhle zurückkehren kann. (Ein Film, der sich nicht von ungefähr an Stanley Kubricks legendäre Science-Fiction-Fabel
2001 – Odyssee im Weltraum anlehnt). Auch Spielfilm-Klassiker wie Rainer Werner Fassbinders früher Film einer scheiternden Integration,
Angst essen Seele auf, oder
Der Ruf, in dem Fritz Kortner als Drehbuchautor und Darsteller seine eigene Geschichte in Nazi-Deutschland und danach erzählt, stehen auf dem Programm.
Ort der Menschlichkeit
Ein Klassiker des Dokumentarfilms ist
Familie Villano kehrt nicht zurück (Regie: Hans Andreas Guttner), der das Schicksal einer italienischen Gastarbeiterfamilie in den1980er Jahren in Fürth nachzeichnet – und zeigt, wie sich durch Aufrechterhalten angestammter Traditionen, durch Sitten und Gebräuche, auch durch die Küche ein Stück Heimat in der Fremde erhalten lässt.
Mit einem Auftritt von Django Asül, des Mustertürken aus Niederbayern, wird das Heimat-Film-Festival eröffnet, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Begriff Heimat neu zu besetzen: nicht „tümelnd“, wie Christiane Schleindl sagt, im Sinne des Heimatfilms der 1950er Jahre, sondern als „Heimat im Film“, der die Heimat nicht topografisch festmacht, sondern als Ort der Menschlichkeit zeigt. (
Fridrich J. Bröder)
Filmfestival Heimat, 15. bis 18. Januar, Programm und Infos unter:
www.bezirk-mittelfranken.de oder
www.filmhaus-nuernberg.de
Abbildungen:
Louis Trenker kehrt in
Der verlorene Sohn enttäuscht aus Amerika zurück. Zurück in die alte Heimat heißt es auch für den Neandertaler: In der Jetztzeit hat er keine Überlebenschance (
Lapislazuli – im Auge des Bären) (Fotos: Filmfest)
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