Kultur

Ein bauhistorisches Kleinod, das allmählich verfällt: Die Rettung des Retti-Palais würde vermutlich bis sieben Millionen Euro kosten. (Foto: Retti-Verein)

28.08.2015

Warten aufs Wachküssen

Das Ansbacher Retti-Palais, ein architektonisches Juwel in Stadtbesitz, verfällt zusehends

Ein Intermezzo sollte laut Einladung dieser Nachmittag in Ansbachs Bischof-Meiser-Straße 9 sein. Aber eigentlich war es die weitere Station einer offenbar unendlichen Geschichte. Und ob die ein glückliches Ende nimmt, scheint nach diesem Intermezzo eher fraglich. Die Rede ist vom Schicksal des Retti-Hauses, eines der „historisch und kunsthistorisch bedeutsamsten Baudenkmäler Ansbachs“.
Für das Palais an der Westseite des Ansbacher Hofgartens setzt sich der Ansbacher Retti-Verein ein. Und verspricht fürs Intermezzo ein Grußwort der Oberbürgermeisterin Carda Seidel, quasi der Besitzerin des Stadtpalais’, das ihr Vorgänger 2002 für die Stadt erworben hatte. Aber den Optimismus des Vereins trübt Carda Seidel: Mit dem zwar auch parteilosen Vereinsvorsitzenden Christian Schoen (zugleich ihr Bürgermeister-Stellvertreter) verbindet sie in Sachen Retti offenbar eine herzliche Gegnerschaft, was die Rettungsaktion nicht leichter macht.

Richtig klotzen

Aber eigentlich interessieren einen weniger die Ansbacher Querelen als das Haus: Das fällt in der Häuserfront der ehemaligen Jägergasse kaum auf. Als „Chance für die Zukunft“ möchte Christian Schoen dessen Renovierung begreifen, Carda Seidel wartet auf den Moment, wo die Renovierungsruine „wachgeküsst“ wird. Die Frage ist nur, durch wen und mit welchen Folgekosten.
Um die Folgekosten brauchte sich Hofbaumeister Leopoldo Retti nicht viele Gedanken zu machen, als der Markgraf ihm 1743 das 2900 Quadratmeter große Grundstück für ein Wohnhaus schenkte. Er hatte gleich nebenan in den markgräflichen Werkstätten die Handwerker zur Verfügung, die besten der Zeit.
Der Vollender des Ansbacher Schlosses (nach Gabrieli, Zocha), Baumeister der Synagoge, Stadtplaner und Architekt solle nach dem Willen des „wilden“ Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich nicht kleckern, sondern klotzen. Und der bürgerliche Baumeister realisierte aristokratische Ansprüche – nützte sie selbst aber nur kurze Zeit. 1749 ging er lieber nach Stuttgart zurück zum Auftrag für das Neue Schloss; 1751 ist er dort gestorben. Nicht ohne vorher das Ansbacher Palais noch an die Stadt zu verkaufen.
Damit begann eine wechselvolle Geschichte der Jägergasse 9: als Sitz der Obervogtei, als Wohnhaus, immer wieder in städtischen Händen, als Arztpraxis, Vermietungsobjekt, seit 2002 von der Stadt wieder einmal aus einem Erbe gekauft. Davon künden ein heruntergekommenes Bad, dicke, hässliche Tapeten und ein Zustand, der ohne Renovierung wohl kaum mehr als die nächsten zehn Jahre überstehen würde.
Davon überzeugt einen der Rundgang durch die Immobilie: Die Sala Terrena etwa mit einer für Retti typischen Wandgestaltung, zarten Reliefs, die schon weit über das Rokoko hinausweisen in ihrem Klassizismus nach französischem Vorbild, mit schönen Zimmerfluchten nach dem Einbau von Trennwänden, raumhohen Wandschränken. Und mit, worauf der Verein besonders hinweist, den „Supraporten“, genrehaften Gemälden über manchen Türen. Was einem an richtigem Rocaille-Rokoko auffällt, ist allerdings schon späterer Einbau der Familie von Falkenhausen.
Dazu gibt es bis heute interessante Zwischengeschosse: für Dienstboten und -mädchen getrennt, als wär’s eine Kulisse für Figaros Hochzeit. Was es einst an Leuchtern, Öfen, Einrichtung gab, hat „Flügel bekommen“, so Christian Schoen; von den ursprünglichen Böden aus Solnhofener Platten ist kaum etwas übrig.
Besonders aber fehlt für ein renoviertes Retti-Palais die realisierbare Nutzungsidee. Für ein Gästehaus der Stadt, die Dependance des Theaters, ein Hotel oder die Stadtbibliothek fehlt schlichtweg das Geld oder der Investor. Auf sechs bis sieben Millionen Euro schätzt Vorstands-Beisitzer Alexander Biernoth die Renovierungskosten – aber dann? Hoffentlich vermodert und zerbröselt das Palais nicht über diesen Überlegungen. (Uwe Mitsching) www.retti-verein.de

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.