Kultur

Die Schauspieler sind unterfordert – oder demonstrieren sie doch nur perfekt entspanntes Rumlungern? (Foto: Matthias Horn)

28.06.2013

Wegdämmern am Monte Müllsack

Calixto Bieito bietet mit einer Büchner-Revue am Staatsschauspiel eine neue Form vom Theater-Wellness

Auweia, hier sieht’s ja schwer nach Flugzeugabsturz aus: Weißer Theaterrauch wallt malerisch über der Unglücksstätte, und im Dämmerlicht meint man glänzende Metalltrümmer auszumachen, die über die Bühne verstreut liegen. Aber allmählich erweist sich, dass die vermeintlichen Wrackteile eine geknitterte graue Plastikfolie sind; eine Art gigantischer Müllsack, der den ganzen Boden bedeckt, gelegentlich zum Gebirgsstock aufgetürmt wird und sich auch noch als faltig hängendes Himmelszelt über die Szenerie spannt.
Aber so gelungen dieses monströse Abfalltüten-Ambiente von Rebecca Ringst sein mag – böse Zungen könnten behaupten, der Abend erweise sich insgesamt doch als völliger Absturz. So was wie Spannung, Kontraste oder gar Dramaturgie kommt bei Calixto Bieito diesmal nämlich gar nicht in die (Müll-)Tüte. Aber was wie Scheitern aussieht, ist wohl eine ganz neue Form von Theater-Wellness.

Beruhigende Musik

Leonce und Lena. Dunkle Nacht der Seele heißt etwas pompös diese Georg-Büchner-Revue, die irgendwo zwischen melancholisiertem Musical-Kitsch und szenischer Rezitation so schlaff durchhängt wie der Müllsack-Himmel.
Mit Zitaten aus Büchners Werken, Briefen, medizinischen Schriften sowie einem Text seines Vaters Ernst Büchner haben der spanische Star-Regisseur Bieito und Dramaturg Marc Rosich eine Collage gebastelt, die angeblich die abgründig-depressiven Elemente im Schaffen des genialen Autors zeigen soll (als ob die bisher unauffindbar verborgen gewesen wären), sich aber unversehens als Entspannungs-Programm erweist. Denn all die Geschichten über den Selbstmord, über Patientinnen, die Stecknadeln verspeisen oder über Automaten-Menschen, die man da hört, wirken kurioserweise nicht nur nicht schockierend, sondern derart einlullend, dass man über weite Strecken in Gefahr ist, wegzudämmern. Was vermutlich an der wohlig dahinsäuselnden, wunderbar beruhigenden Musik von Maika Makovski liegt, mit der ein Kammermusik-Trio den ganzen Abend begleitet.

Verlegenheits-Choreografie

Gegen diese Schlummerklänge kommt die Verlegenheits-Choreografie nicht an, die hier szenisches Geschehen ersetzen soll: Da sieht man drei Schauspielerinnen (Friederike Ott in blau, Katharina Pichler in rot sowie Genija Rykova im Brautkleid) und zwei Schauspieler, die gelegentlich Liedchen ins Mikro trällern, ansonsten aber völlig unterfordert, nein: entspannt rumlungern und Texte aufsagen müssen. Zwischendurch dürfen die Herren die Damen schultern und über die Bühne schleppen, dann zieht sich Guntram Brattia aus unerfindlichen Gründen aus, während Lukas Turtur bekleidet mit einer Kollegin an der Rampe Bewegungen des Beischlafs in verschiedenen Stellungen vorführt. Anschließend wird der Monte Müllsack bestiegen, ehe die Plastikfolie wie ein wallendes Krümelmonster alle verschluckt.
Da fuhren die Zuschauer dann aus ihrem Dämmerzustand hoch, und erschrocken, dass der Theater-Heilschlaf schon nach eineinhalb Stunden vorbei war, klatschten sie eifrig in die Hände, um ihren Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. (Alexander Altmann)

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