Kultur

Werner Herzog wird heute 75 Jahre alt. (Foto: dpa)

05.09.2017

Weltenbummler der Extreme

Filmemacher Werner Herzog wird heute 75

Kurz nach seinem 75. Geburtstag, den er heute feiert, könnte Werner Herzog eine weitere Film-Trophäe in Empfang nehmen. Seine Vulkan-Dokumentation "Into the Inferno" ist am 5. Oktober im Rennen um einen Doku-Emmy in der Sparte Wissenschaft und Technologie. Auch für diesen Film wagte sich der deutsche Regisseur wieder in extreme Welten - an den Rand von Vulkanen. Seine gefährliche Odyssee führte ihn rund um den Globus, sogar dem schwer zugänglichen Nordkorea luchste er eine Drehgenehmigung ab. Sogar eine Reise zum Mond mit Tech-Milliardär Elon Musk könnte er sich vorstellen. "Die senden immer Techniker ins All und haben noch nie einen Poeten da raus geschickt", witzelte Herzog im April in der "Los Angeles Times". Seine Bedingung: "Klar würde ich gern mitkommen - aber nur, wenn ich eine Kamera dabei hätte." Musks Unternehmen SpaceX will Privatleuten den Weg ins All ebnen. Leute wie Musk, mit großen Ideen und Selbstvertrauen, schätze er an seiner langjährigen Wahlheimat Los Angeles, erklärt Herzog in dem Interview. Hinter Hollywoods "Glitz und Glamour" gebe es eine "enorme Intensität von kultureller und kreativer Energie", meint der gebürtige Bayer, der immer noch gerne Janker mit Hirschhornknöpfen trägt. "Hier werden Dinge umgesetzt." Diesem Motto folgt er selbst mit unermüdlicher Energie - allein im vorigen Jahr brachte er zwei Filme auf die Leinwand. Beim Filmfest in Toronto feierte sein Öko-Thriller "Salt and Fire" die Nordamerika-Premiere. Der Film mit Veronica Ferres in der weiblichen Hauptrolle wurde größtenteils am imposanten Uyuni-Salzsee im bolivianischen Hochland gedreht. Die Produktion verlangte Herzog und seinem Team einiges ab. "In großer Höhe zu filmen oder innerhalb von 40 Minuten vom Amazonas auf 4100 Meter hinaufzufliegen ist hart", räumte der Regisseur ein. Herzog porträtiert gern Menschen, Situationen und Landschaften der Extreme. So inszenierte er im Jahr zuvor Nicole Kidman als Wüstenforscherin Gertrude Bell bildgewaltig in "Königin der Wüste". Ein Produzentenfreund habe ihm von der revolutionären Abenteuerin erzählt. "Er brachte mir stapelweise Kopien ihrer Tagebücher und Briefe. Ich brauchte da nur kurz durchzuschauen und ich wusste, dass das etwas sehr Großes ist", erzählte Herzog 2015 im dpa-Interview. "Das spürte ich sehr vehement; ich musste es einfach auf die Leinwand bringen." Starke Persönlichkeiten interessieren ihn schon seit langem. Er stritt und vertrug sich mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star gemeinsamer Filme in den 1970er und 1980er Jahren, darunter "Aguirre, der Zorn Gottes",  "Fitzcarraldo", die Horror-Hommage "Nosferatu - Phantom der Nacht" und die Büchner-Adaption "Woyzeck". Über seine Hassliebe zu dem jähzornigen Schauspielgenie drehte Herzog 1999 den Dokumentarfilm "Mein liebster Feind". "Es war, wie im Auge eines Tornados zu arbeiten, aber es hat sich immer gelohnt", sagte der Regisseur 2011 beim Filmfestival im mexikanischen Guadalajara. Das amerikanische "Time"-Magazin wählte Herzog 2009 unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt. Im selben Jahr wurde seine Antarktis-Dokumentation "Encounters at the End of the World" für einen Oscar nominiert. Von der Antarktis über eine Höhle in Südfrankreich ("Die Höhle der vergessenen Träume") begab sich Herzog für die Kino-Doku "Tod in Texas" und die TV-Produktion "On Death Row" in den Todestrakt von US-Gefängnissen, wo Insassen auf ihre Hinrichtung warten. "Das ist Material von einer Intensität, die ich nie bisher bei irgendeinem Film gehabt habe", sagte Herzog 2012 der dpa. "Zeichen dafür, wie sehr das mich und den Cutter betroffen hat, ist, dass wir beide wieder zu rauchen anfingen. Normalerweise arbeiten wir acht Stunden am Tag, stetig und schnell, mit klaren Zielvorgaben. Diesmal konnten wir nur fünf Stunden arbeiten, dann waren wir erledigt." Der unter dem Namen Werner H. Stipetic als Sohn einer kroatischen Mutter und eines deutschen Vaters geborene Künstler wuchs in einem Bergdorf an der Grenze zu Österreich auf. Er studierte Geschichte und Literatur, das Filmhandwerk brachte er sich selbst bei. Mit 20 Jahren drehte er seinen ersten Kurzfilm. In "Herakles" beobachtete er Bodybuilder, die vor der Kamera posieren. Vier Jahre später - bei der Berlinale 1968 - holte er mit "Lebenszeichen" den Silbernen Bären für den besten Erstlingsfilm. Der dreifache Vater ist in dritter Ehe mit einer Fotografin verheiratet. Er hat Bücher geschrieben, über ein Dutzend Opern inszeniert und über 60 Filme gedreht, das wird auf seiner Webseite akribisch aufgelistet. Dort verweist Herzog auch auf seine "Schurkenfilmschule", die er einmal im Jahr abhält. "Nichts für schwache Nerven", warnt er Seminar-Interessenten. Was er unter anderem lehrt: Schlösser knacken, eine Dreherlaubnis fälschen, zu Fuß unterwegs sein, Guerilla-Taktiken. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählt auch ein Goldener Leopard vom Filmfestival Locarno für sein Lebenswerk. Den hatte er mit 70 Jahren erhalten. Gefragt, woher er die Anregungen für seine oft ungewöhnlichen Geschichten nehme, antwortete der Regisseur damals: "Meine Filme sind wie Einbrecher. Die Ideen sind immer unerwartet morgens um drei zu mir gekommen. Sie alle sind ungeladene Gäste. Die ich jedoch immer herzlich begrüße." (Barbara Munker, dpa)

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