Kultur

"Am Anfang war das Wort" heißt dieses Collage- und Chiasmage-Objekt in Form eines Apfels. (Foto: Kunstgalerie)

03.01.2014

Wie Wörter zu Bildern werden

Zum Hundertsten widmet das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Jirí Kolár eine umfassende Ausstellung

Im Vorgriff auf den hundertsten Geburtstag von Jiri Kolár am 24. September widmet das Kunstforum Ostdeutsche Galerie dem Dichter, Erneuerer und Impulsgeber der Collage eine Ausstellung, die alle Seiten seiner Kunst beleuchtet. Auch der zeitgenössische Kontext wird berücksichtigt durch Collagen, die zusammen mit den Freunden Rudolf Valenta und Wolf Vostell entstanden sind. Hinzu kommen Arbeiten weiterer Künstler, die sich mit der Collage beschäftigt haben.
Jirí Kolár wurde in den späten 1960er Jahren im Westen bekannt; 1968 war er auf der documenta 4 vertreten. Das New Yorker Solomon R. Guggenheim Museum zeigte 1975 eine große Kolár-Retrospektive und 1979/80 verbrachte der Künstler mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Westberlin.
1952 war er in Tschechien verhaftet worden, saß neun Monate im Gefängnis und bekam Publikationsverbot. Bis 1989 war von ihm dort keine Ausstellung zu sehen. 2001 ist er in Prag gestorben.
Prunkstück der aktuellen Ausstellung in der Ostdeutschen Galerie ist der überdimensionale Apfel, den Kolár 1969 in Nürnberg gestaltet hat: Die Arbeit heißt Am Anfang war das Wort und spiegelt die Entwicklung vom Wortkünstler zum Schöpfer einer „evidenten Poesie“.

Zerrupfte Elemente

Wichtigstes Kernstück aber ist das Tagebuch des Jahres 1968: ein Zyklus von 66 Collagen, in dem der August 1968 als Kristallisationspunkt des Prager Frühlings im Zentrum steht. Kolár sorgte dafür, dass dieses Tagebuch möglichst schnell in den Westen kam. Das Gesicht für das Jahr 1969 aus der Serie ist eine erschütternde Collage, zusammengesetzt aus dem Bildnis eines „Schwarzen Mannes“ von Théodore Géricault und monströs deformiert zu einer Fratze, wie ein Porträt von Francis Bacon. Den Bildgrund bildet eine Chiasmage, eine Collage aus zerrupften Textelementen.
Kolár hat immer wieder neue Collage-Techniken entwickelt. Sein Ausgangsmaterial – Druckerzeugnisse und Reproduktionen von Gemälden – zerschnitt und zerriss er, um es zu einer neuen Ordnung zusammenzufügen.
Für die Rollage, die er benutzte, um Bildnisse zu zerlegen und zu verwandeln, werden mehrere Vorlagen in Streifen zerlegt und anschließend versetzt wieder zusammengefügt, wodurch das Bild extrem verzerrt wird und eine weitere Dimension gewinnt.
Die Muchlage entsteht aus zerknülltem Papier. Darauf kam Jirí Kolár, der in der Ausstellung ebenso als Dichter vorgestellt wird, als er einmal ein zerknittertes, weggeworfenes Gedicht betrachtete: Fortan entwickelte er die Methode, Wörter per Schnitt und Collage in ein Bild umzuformen.
Die Knoten- und Objektgedichte sind kleine poetische Wunder. Gelegentlich verkleidete und verfremdete er Alltagsgegenständemit Papieren. Mit Epitaph für eine auslaufende Welle (1982) gelang ihm eine Sternstunde essentieller Poesie.
Jirí Kolárs Collagen sind ein Feuerwerk intellektueller und sinnlicher Kreativität. (Ines Kohl) Bis 23. Februar. Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Dr.-Johann-Maier-Str. 5, 93049 Regensburg. Di. bis So. 10 – 17 Uhr, Do. 10 – 20 Uhr.
www.kunstforum.net Abbildung (Foto: Kunstgalerie)
Das Prinzip der Rollage zeigt Jirí Kolárs unbetiteltes Werk in Form eines Schiffes (1981).  

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