Kultur

28.11.2014

Wiegenlied für einen Alten

Das Münchner Kammerorchester begeistert wieder mit seinem Thema "Kindheit"

Kindheit als Thema von Musik – das muss vor Weihnachten nicht immer “Hänsel und Gretel“ sein. Das Münchener Kammerorchester mit dem vermutlich intelligentesten Programm der Stadt hat für sein Saisonthema gesammelt, was sich zu Kindheit, Jugend finden lässt. Und spielt die Stücke junger Komponisten genauso wie Kompositionen für, von, über Kinder. Orchesterchef Alexander Liebreich hat mit „Des Knaben Wunderhorn“ angefangen, ins vollbesetzte Prinzregententheater kam jetzt Clemens Schuldt. Den konnte man erst kürzlich bei den Nürnberger Symphonikern mit einer eher ungewohnten Beethoven-Lesart erleben. Jetzt passte ein „Wiegenlied“ von Mark-Anthony Turnage zum Thema. Das hatte der 2005 zum 80. Geburtstag für „Hans“ komponiert: Hans Werner Henze. Den gab es auch im Programm. „Der junge Törless“ war ursprünglich  Musik für den Film von Volker Schlöndorff, mit dem Mathieu Carrière seine Karriere begonnen hatte: übrig blieb als Bearbeitung eine Streichersuite („Fantasia“), die in psychischen Abgründen wühlt und die von der morbidezza des alten Kaiserreichs überschattet ist. Henze zeigt sich in der Interpretation durch das MKO als feinfühliger Analytiker der Törless-Verirrungen, Schuldt als Spezialist für solch gebrochene Musik, auch für deren schwelgerische Seiten: eine lohnende Wiederentdeckung. In der Verklammerung mit Turnages „Wiegenlied für Hans“ erwies sich dieses mit der gleichen Streicherbesetzung genauso offen für Stimmungen unter der Oberfläche oder für rückwärtsgewandte Romantik in Streicher-Feinschliff. Die „mélodies hebraiques“ von Maurice Ravel erwähnt man in diesem Zusammenhang gern wegen des britischen Cellisten Steven Isserlis. Der hat zum Thema „Kindheit“ witzige Bücher beigetragen mit Titeln wie „Warum Beethoven den Eintopf hinschmiss“. Ganz das Gegenteil waren die beiden Ravel-Sätze mit großen, ruhigen Linien und der harfenumrauschten Andacht des Totengebets oder beim Blick in die Ewigkeit. Der großartige und umjubelte Isserlis – die Mähne war beeindruckend wie eh und je, sehr unterhaltsam seine Mimik – für Ravel allein wäre zu schade gewesen: Das 1.Cellokonzert von Camille Saint-Saens spielte er mit viel Poesie und Temperament, anfangs mit zu wenig Durchsetzungsvermögen gegenüber dem zurecht romantisch auftrumpfenden Orchester. Isserlis: ein Sympathieträger. Die „Linzer Symphonie“ des 27jährigen Mozart, von Schuldt mit geschärften Kontrasten und jugendlich-fetzigem Schmiss dirigiert, gab es zum Schluss: historisch bestens informiert und besetzt.  Eindeutiger noch dem Thema „Kindheit“ zuzuordnen sind am 11. Dezember die „Märchenbilder“ des Dänen Hans Abrahamsen oder Witold Lutoslawskis „Kinderlieder“ am 22. Januar., die Solisten  immer erste Sahne und wohl auch weiterhin viele Kinder nicht nur im Programm, sondern auch im Parkett. (Uwe MItsching)

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