Kultur

Ein leerer Geldbeutel tut der Lust am Feiern keinen Abbruch: Im Mittelpunkt der Faschingsfete steht der mittellose Künstler Viktor (Daniel Prohaska, auf dem Tisch). (Foto: Marie Laure Briane)

24.02.2017

Wilde Karnevals-Orgie in Kriegszeiten

Das Gärtnerplatztheater reaktiviert mit viel Witz und Klamauk Emmerich Kálmáns vergessene München-Operette „Die Faschingsfee“

Wenn der Abgrund am tiefsten ist, gellt das Lachen umso lauter. Das wusste auch Jacques Offenbach, als er mit seinem bissigen Operetten-Spott eine ganze Gesellschaft vorführte. Oder gar in den Untergang galoppieren ließ. Emmerich Kálmán war nicht Offenbach – trotzdem sind auch die Operetten des Ungarn keineswegs harmlose Unterhaltungsstücke. Ein sozialkritischer Kontext schwingt stets mit – so auch in der heute wenig bekannten Operette Die Faschingsfee, mit der das Gärtnerplatztheater in der Alten Kongresshalle in München Premiere feierte. Mag sein, dass es mehrere Fassungen des Werks von 1917 gibt. Überdies hat Kálmán die Musik größtenteils aus seiner früheren Operette Fräulein Susi (1915) zusammengewürfelt; unter dem Titel Miss Springtime war sie auch am New Yorker Broadway erfolgreich. Der Erste Weltkrieg als zeithistorischer Kontext bleibt in der Faschingsfee allgegenwärtig – in seiner Inszenierung unterstreicht Gärtnerplatz-Intendant Josef E. Köpplinger dies zusätzlich. Ein Ballett aus Soldaten und Krankenschwestern bevölkert immer wieder die Szene.

Überragendes Ensemble

Köpplinger trommelt einmal mehr ein überragendes Operetten-Ensemble zusammen. Das garantieren einerseits die alten Hasen Gisela Ehrensperger als tolerante Wirtin Leopoldine, Franz Wyzner als trotteliger Kellner Josef und Fritz Graas als strenger Polizist. Andererseits glänzt der junge Daniel Prohaska: Als mittelloser Künstler Viktor ist er hinter der schönen Fürstin Alexandra her (wunderbar: Camille Schnoor). Er weiß nichts von ihrer Herkunft – und hier beginnen die Probleme. Man schreibt das Jahr 1917. Der Erste Weltkrieg tobt, und die Münchner Bohème feiert ausgelassen in einem Künstlercafé Fasching – verbotenerweise. Eine Unbekannte gesellt sich dazu, Viktor verliebt sich in sie: Es ist Alexandra. Sie hat Geld wie Heu, was Viktor freilich nicht weiß. Als armer Künstler in überdies schwierigen Kriegszeiten freut er sich über ein Preisgeld, das ihm der Graf Mereditt (Maximilian Mayer) übergeben soll. Daraus wird nichts, weil er Alexandra vor den Annoncen des Grafen beschützt. Die Fürstin steckt Viktor heimlich Geld zu, und am Ende kommen beide zusammen – nach würzigen Verwicklungen. Als herrlich schnoddrige Choristin Lori punktet Nadine Zeintl, und auch Josef Ellers hat als schriller Lyriker Julian stets einen flotten Spruch parat, etwa: „Gestern war ich in Hellabrunn. Da gibt es Viecher, die sind noch dünner als wir.“ Es sind eben entbehrungsreiche Kriegszeiten, was die Künstler besonders hart trifft. Köpplinger aktualisiert diesen Stoff nicht, verzichtet auf geschärfte Politisierungen, sondern belässt die Handlung in ihrer Zeit. Hierzu hat Dagmar Morell stilgerechte Kostüme entworfen, historisierend ist auch das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf. Weil aber die Regie mit viel temporeichem Witz und Klamauk arbeitet, gähnt nirgends hohler, konservierender Plüsch. Dafür sorgt nicht zuletzt das Gärtnerplatz-Orchester, das hinter einem transparenten Vorhang auf der Bühne sitzt. Unter der Leitung von Michael Brandstätter entwickeln die Musiker einen herrlich süffigen Schmelz, der die Atmosphäre der damaligen Zeit treffend einfängt. Berauschende Walzer-Seligkeit oder derbe Polka: Hier wird kenntnisreich und stilsicher aufgespielt. Die großartigen Leistungen des gesamten Ensembles schenken einen kurzweiligen Theaterabend. (Marco Frei) Information: Bis 28. Februar. www.gaertnerplatztheater.de

Kommentare (1)

  1. ZechBernhard am 01.03.2017
    Wir waren am 28.02.17 in der letzten Aufführung und es war super!
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