Kultur

Die Preisträger des Deutschen Kabarett-Preises, Alfred Dorfer (Mitte, Hauptpreis), Rene Sydow (links, Förderpreis) und Stephan Zinner (Sonderpreis). (Foto: dpa)

16.01.2017

Witz mit Biss

Bei der Verleihung des Deutschen Kabarettpreises in Nürnberg überzeugen die Preisträger mit scharfen Analysen

Seit 1984 steht Alfred Dorfer auf der Kabarettbühne, 1985 hat er das erste Mal im Burgtheater gespielt: nicht in Wien, sondern in Nürnberg. Jetzt hat ihm das den „Deutschen Kabarettpreis 2016“ verliehen. Für München bleibt nur der „bayerische Kabarettpreis“ übrig: Auch deshalb ist die Preisübergabe in der Nürnberger Tafelhalle immer ein Megaereignis. Die Preisgelder stiftet die Stadt, deswegen darf auch immer der Oberbürgermeister sprechen. Die bayerischen Sozis wollen angeblich diesen Ulrich Maly auch als Ministerpräsidenten-Kandidaten für 2017 haben, aber der macht in seiner Rede schon mal Witze über die Genossen bei der Bundestagswahl 2016: Wenn man im Herbst der SPD die Stimme gibt, ist das noch Wahl oder schon Charity ? In angenehmer Kürze eröffnete Maly diesen Drei-Stunden-Kabarett-Marathon. Dafür war der Titel des neuen Programms von René Sydow vom Bodensee eine passende Überschrift, auch wenn er nur den „Förderpreis“ bekommen hat: „Warnung vor dem Munde!“ Bevor er aber mit seinem Rüstungsindustrie-Bashing zu Wort kam, trat als Ersatz-Moderator Andreas Thiel aus der Schweiz auf und machte aus ein bisschen Ansage  ein fulminantes, geistreiches, altphilologisch gebildetes Extra-Programm – schillernd  wie seine bunte Markenzeichen- Irokesenfrisur. Herrlich, wie Thiel die Laudatio-Worthülsen der Preisurkunden germanistisch-philologisch spitzfindig auseinander pflückte als wären sie Zeugnisbemerkungen oder Arbeitszeugnisse. „Intellektualität, Tempo, bittere Ironie, überschäumend metaphorische Sprache“ wurden zum Beispiel René Sydow attestiert. Der durfte dann als erster zeigen, wofür er seine 4000 Euro bekommen hat. Über Deutschland, das Land der Dichter und Denker kann er sich richtig in Rage reden. Sydow macht tatsächlich viel „Tempo“ – auch bei der Terminliste seiner Auftritte in den nächsten Wochen. Aber wenn er schon Albert Schweitzer zitiert („Phantasie ist wichtiger als Wissen“) muss es schon schlimm um Deutschland stehen. Nicht so recht wusste Stephan Zinner aus dem oberbayerischen Trostberg und viel auf Münchens Brettln unterwegs, wie er ausgerechnet zu einem „Sonderpreis“ kam. Dafür weiß er schon, wohin die Laudatio  bei ihm daheim hinkommt: neben die Küche und neben die Pfadfinderurkunden. Er hatte bis dato die meisten Lacher, zog über „Deutschlands rappende Jammerlappen“ her und erzählte als bekennender Oberbayer  von seinen breznsüchtigen Kindern. Über die wichtigsten Erziehungsfragen hat er übrigens ein eigenes köstliches Programm. Der „Deutsche Kabarettpreis“ für Alfred Dorfer aus Wien war offenbar gedacht als eine Art „Lebenswerk“-Preis. Oder war der Wiener nur einfach und endlich mal dran? Jedenfalls war auch seine liebenswürdig-sympathische Verwandtschaft samt Kammersängerin Angelika Kirchschlager mitgekommen. Und bevor sich Andreas Thiel vollends in den Fängen der deutschen political correctness verhedderte, was ihn durchaus für den Deutschen Kabarettpreis 2017 empfahl, durfte Dorfer endlich aus der Kulisse. Der Sekt war da schon abserviert: Dorfer hat seine eigenen, schauspielerisch subtil präsentierten Pointen, grenzt sich als Erdäpfel-Österreicher  bewusst von den Kartoffel-Deutschen ab, zieht über die „Demokratiefolklore Frauenwahlrecht“ her. Aber das Hauptthema des Abends war auch bei Dorfner: „Was ist liberal?“ Mit den Antworten darauf, in denen nie die F.D.P. vorkommt, zeigt Dorfer, warum er mit seiner scharfen Analyse den Preis verdient hat. Auch für seine Sottisen über Pädagogik, Wahrheit – ein notwendiger Blick von außen auf das Land, das ihm jetzt den Kabarettpreis verliehen hat.  Die zusätzliche Bemerkung aus der ersten Reihe, direkt vor der Bühne: Kabarettisten haben alle ungeputzte Schuhe und die Finanzspritze offenbar nötig, nur ein Schweizer trägt blitzblank polierte und dazu  bunte Socken. (Uwe Mitsching)

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