Kultur

Doppelseite aus einem der Nürnberger Schembartbücher (Mitte 16. Jahrhundert). Foto: GNM

16.07.2010

Wo Drachentöter edle Fräulein umgarnen

Eine große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum widerlegt den „Mythos Burg“

Mit wehendem Helmbusch und in schimmernder Rüstung reitet der Ritter zum Turnier, um die Minne der edlen Frau zu erringen. Die Dame von Stand harrt auf den Zinnen der auf hohem Felsen dräuenden Burg des geharnischten Helden. Auf dieses Bild reduziert lässt sich ein romantisch verklärter, vor allem im deutschen Historismus des 19. Jahrhunderts in der Literatur, in der Kunst und nicht zuletzt in der Musik Richard Wagners genährter Mythos beschreiben, der mit dem mittelalterlichen Leben auf der Burg nur wenig zu tun hatte. Jetzt räumt eine Berlin-Nürnberger Doppelausstellung mit solchen Vorstellungen auf – und entzaubert den Mythos Burg. So ist die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg betitelt, ergänzt von der Ausstellung Burg und Herrschaft im Deutschen Historischen Museum Berlin – eine Doppelausstellung, die sich als weltweit größte Ausstellung zum Thema Burg versteht und mit seltenen, ja vielfach sogar noch nie gezeigten Exponaten aufwarten kann. Sie stellt das Bild der Burg von König Artus und des Götz von Berlichingen bis Micky Maus, Harry Potter und dem Playmobil vom Kopf auf die Füße.

Opulente Schau

G. Ulrich Großmann, der Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums und einer der besten Burgen-Kenner und -Forscher im deutschsprachigen Raum, räumt mit dieser von ihm initiierten Ausstellung mit all den Burgen-Klischees auf, indem er sie – vor allem in der Nürnberger Ausstellung – vorführt: Die Burg war fast zu allen Zeiten der Ort und die Projektionsfläche, an denen sich Romantisierungen, Historisierungen und Ideologisierungen, Glorifizierungen und Trivialisierungen bis hin zu Kitsch und Comic festmachen ließen. Das stellt sich im Germanischen Nationalmuseum mit 650 Ausstellungsstücken opulent zur Schau. Freilich fehlen darin auch nicht glänzende Rüstungen, Schwerter und Lanzen, die bis heute die liebgewordenen Vorstellungen vom Ritter, der Tod und Teufel nicht fürchtet, augenfällig prägen. Die Ritter-Romantik, wenn auch wissenschaftlich konterkariert und mit den jüngsten Forschungsergebnissen konfrontiert, kommt nicht zu kurz: Zum Entree der Ausstellung feiern die Ritterspiele auf den Modellburgen der Spielzeugindustrie Triumphe, begleitet von den Ritterfilmen von Ivanhoe bis zu Monty Pythons Ritter der Kokosnuss und Walt Disneys Micky Maus am Hofe König Arthurs. Damit stellt die Nürnberger Ausstellung die Ausstellung in Berlin in den Schatten, weil die Kulturgeschichte der Burg der vergangenen 1000 Jahre allemal mehr hergibt als deren geschichtliche und politische Entwicklung, die im Deutschen Historischen Museum in Berlin im Mittelpunkt steht. Denn mit der real gewordenen Fantasie-Burg des bayerischen „Märchenkönigs“ Ludwig II. in Neuschwanstein, die im Modell zu sehen ist, kann die historische Architektur der Burg natürlich nicht konkurrieren, die zumeist nicht einmal auf dem Berg, woher angeblich ihr Name rührt, sondern ganz profan auf dem flachen Lande gebaut wurde, leicht erreichbar für den Bürger, der in der Burg Zuflucht suchte und sich nach der Burg benannte. Bei aller überbordenden Wissenschaftlichkeit der Nürnberger Burg-Ausstellung, die im Sammelsurium ihrer Facetten und Details oft ihren roten Faden verliert, kommen die Kinder nicht zu kurz: Nicht nur, dass in der Ausstellung eine Holzburg auch zum Spielen einlädt, legte das Museum zum ersten Mal auch einen Kinder-Katalog zu einer Ausstellung vor, was zum Ferien-Familien-Besuch geradezu einlädt. (Friedrich J. Bröder)

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