Landtag

Viele Bürger befürchten, dass sich durch TTIP eine industrielle statt einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft durchsetzt. (Foto: dpa)

24.04.2015

Schweinsbraten aus Amerika

Schriftliche Anfrage der Freien Wähler: Mögliche Folgen von TTIP: Mehr Import von US-Fleisch, mehr Export von bayerischem Käse

Das transatlantische Freihandelsabkommen treibt die Bürger im Freistaat auf die Straße. Rund 20 000 Menschen haben letzte Woche in München beim europaweiten Aktionstag gegen die Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den USA demonstriert – weltweiter Rekord. Gegen TTIP spricht sich auch der entwicklungspolitische Sprecher der Freien Wähler Hans Jürgen Fahn aus. Er sorgt sich vor allem um die Landwirtschaft in Bayern. Denn eine Studie des ifo Instituts rechnet durch das Abkommen mit einem Rückgang der Wertschöpfungsentwicklung von 0,7 Prozent. Fahn wollte deswegen von der Staatsregierung wissen, welche Folgen TTIP für Bayern und seine Handelspartner hat.

Das Wirtschaftsministerium antwortet, dass sowohl das ifo Institut wie auch das beim Bundeslandwirtschaftsministerium angesiedelte Thünen-Institut durch das Abkommen nicht mit starken Auswirkungen auf den deutschen Agrarmarkt rechnen. Ernährungswirtschaftliche Güter des Freistaats würden am Gesamtimport lediglich 0,8 Prozent und am Gesamtexport in die USA nur 0,6 Prozent ausmachen. „Aus den Zahlen wird deutlich, dass gerade im Ernährungsbereich noch Exportsteigerungspotenzial steckt.“ Welche konkrete Wertschöpfungsentwicklung für die Landwirtschaft in Bayern zu erwarten ist, könne nach aktuellen Informationen allerdings nicht vorhergesagt werden.

Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft rechnet jedoch durch den Abbau der Handelszölle damit, „dass bei Rind- und Schweinefleisch die im Schnitt höheren Erzeugungskosten in Bayern tendenziell zu höheren Importmengen aus den USA führen könnten“. Bei Milch, Käse und regionaltypischen Spezialitäten wird hingegen mit erhöhten Vermarktungschancen bayerischer Produkte gerechnet. Ergebnisse lägen allerdings auch hier noch nicht vor.

Nachteile räumt das Ressort von Ilse Aigner (CSU) bei den Produktionskosten ein. „Im Hinblick auf die Produktion steht in den USA das Endprodukt im Vordergrund, während in Europa neben der Qualität des Endprodukts insbesondere auch der Nachhaltigkeit der Nutzung der Produktionsfaktoren und Produktionsprozess eine zentrale Rolle beigemessen wird.“ Die bayerische Landwirtschaft könne diese Defizite aber mit dem Export qualitativer Produkte und den staatlichen Transferleistungen „weitgehend wettmachen“.

Um den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Verbrauchern zu erhalten, setzt sich die Staatsregierung außerdem für „rote Linien“ ein. An den strengen Regeln für Hormone, Gentechnik oder Klonen „darf und wird“ sich auch im Rahmen des Freihandelsabkommens nichts ändern, verspricht Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU). Das habe auch die Europäische Kommission mittlerweile mehrfach bestätigt.

Nicht zuletzt sorgt sich Fahn wegen des Abkommens um Entwicklungsländer. Schließlich beträgt das Handelsvolumen Bayerns mit Schwellenländern 10,9 Prozent, mit den USA bisher nur 9,1 Prozent. Er fürchtet, dass diese Staaten deutliche Marktanteile verlieren und an den Rand gedrängt werden. „Durch TTIP kann es bei Drittweltländern durch eine mögliche Veränderung der Handelsströme Gewinner wie auch Verlierer geben“, vermutet das Ministerium. Größere Verlierer seien die Staaten, die weiterhin Handelszölle zahlen müssten, größte Gewinner hingegen Rohstoffe produzierende und bereits gut in die Wertschöpfungskette eingebundene Staaten.

Den Forderungen aus der Wissenschaft, die Europäische Union als erfolgreichstes Beispiel regionaler Integration solle die bilaterale Sackgasse verlassen und ihre Handelspolitik auf breitere Füße stellen, erteilt das Aigner-Ressort eine Absage: „Im Hinblick auf den sehr umfassenden Inhalt erscheint aus der Sicht der Staatsregierung eine Öffnung der Verhandlungen für andere Länder nicht sinnvoll.“ (David Lohmann) INFO: TTIP und die Auswirkungen auf die bayerische Landespolitik
Der vor Kurzem veröffentlichte Textvorschlag der Europäischen Kommission zur regulatorischen Kooperation in TTIP sieht nach derzeitigem Sachstand für die zentrale Ebene folgende Punkte vor:
Bessere Rechtssetzung: Darunter werden die Pflichten beider Seiten zu Transparenz, Frühwarnung, Konsultation und Gesetzesfolgenabschätzung verstanden.
Regulatorische Kooperation: Dabei verpflichten sich beide Seiten, sich über bestehende oder geplante Regelungen zu informieren.
Unklar ist derzeit noch, ob und wenn ja in welcher Form US-Bundesstaaten und die EU-Mitgliedsstaaten in die Verpflichtungen einbezogen werden. Die Ebene der Bundesländer wird aber nach Angaben der Staatsregierung nicht betroffen sein. Bei den weiteren Verhandlungen fordert sie, folgende Grundsätze einzuhalten:
  • Für den Fall, dass doch eine Einbindung der nationalen Ebene vereinbart wird: Die Beteiligung der nationalen Parlamente in den Kooperationsprozess muss sichergestellt und Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherschutzverbände sowie Gewerkschaften mit eingebunden werden.
  • Vorschläge des geplanten Regulierungsgremiums dürfen für den europäischen und nationalen Gesetzgeber nur Empfehlungen und nicht verbindlich sein.
  • Der politische Gestaltungsspielraum bei Gesetzen sowie bei Gemeinwohlinteressen muss gewahrt bleiben.
  • Die Zusammenarbeit muss auf Bereiche begrenzt bleiben, die im gemeinsamen Interesse und von wirtschaftlicher Bedeutung sind. (LOH)

Kommentare (1)

  1. Karl 01 am 27.04.2015
    zur Forderung der Staatsregierung, der politische Gestaltungsspielraum bei Getzen sowie bei Gemeinwohlinteressen muß gewahrt bleiben (vorletzter Punkt im Artikel oben):
    Das halte ich für eine Illusion. Neue Gesetze dürfen nicht im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen stehen, d.h. in Zukunft in Widerspruch zu TTIP. Streitfragen werden vor Schiedsgerichten verhandelt. In wessen Interesse werden die Schiedsgerichte entscheiden? Beispiel: Ein Produkt wird in Deutschland als gesundheitsgefährdend eingeschätzt und der Gesetzgeber möchte Warnhinweise auf die Verpackung aufdrucken lassen. Der Hersteller wird dies als Wettbewerbsnachteil betrachen und dagegen den Klageweg beschreiten. (Konkretes Beispiel: in Uruguay wurden Warnbilder auf Zigarettenpackungen vorgeschrieben, der Hersteller verlangt vom Staat Schadenersatz in Millardenhöhe).
    Meine Befürchtung: der politische Gesstaltungsspielraum in Deutschland wird eingeschränkt, demokratische Rechte beschnitten.
    In Paragraph 20 GG heißt es: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
    Bekommen wir TTIP, so müßte der Satz konsequenter Weise geändert werden in:
    Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, soweit nicht bereits in TTIP geregelt.
    Deshalb bin ich gegen TTIP.
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