Landtag

Bei mündlichen Prüfungen schneiden Studierende mit Migrationshintergrund fast 20 Prozent schlechter ab als deutsche Studentinnen und Studenten. (Foto: dpa)

10.02.2017

20-prozentiger Ausländer-Malus an Unis

Frauen, Migranten und Behinderte werden auch im Wissenschaftsbereich diskriminiert – bayerische Hochschulverbände sollen jetzt nach Lösungen suchen

Frauen und Migranten haben im juristischen Staatsexamen deutlich schlechtere Noten als männliche Kandidaten mit deutschen Wurzeln – das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie von Emanuel V. Towfigh, Professor an der EBS Universität in Wiesbaden. „Obwohl Frauen ein hochsignifikant besseres Abitur haben, schneiden sie im Staatsexamen zirka zehn Prozent schlechter ab als Männer“, erklärte der Rechtsforscher den Mitgliedern des Hochschulausschusses.

Bei Migranten ist dieser Effekt laut Towfigh im schriftlichen Staatsexamen weniger stark ausgeprägt – dafür bei den mündlichen Prüfungen umso dramatischer. „Da schneiden diejenigen, deren Namen auf einen Migrationshintergrund schließen lässt, um fast 20 Prozent schlechter ab“, erläuterte er. Dies geschehe bei den Prüfern aber unbewusst. Manchmal führe auch die Angst der Prüflinge vor Diskriminierung schon zu einer schlechten Note.

Die SPD-Fraktion forderte die Staatsregierung in einem Antrag dazu auf, Diskriminierung von Studierenden an Hochschulen aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder einer Behinderung zu bekämpfen. „Eine behinderte ausländische Frau an einer Hochschule wäre also dreifach benachteiligt“, verdeutlichte Isabell Zacharias (SPD). Um dies zukünftig zu ändern, müsse alles auf den Prüfstand – die Art der Lehrausbildung, des Prüfungsverfahrens und der Vorlesungen.

Laut Towfigh gibt es momentan eine Reihe internationaler Untersuchungen zur Beseitigung von Diskriminierung. „In einer ist zum Beispiel festgestellt worden, dass Frauen eine wettbewerbliche Umgebung meiden“, erzählte er. Das heißt, sie melden sich im Unterricht weniger. Wenn aber immer abwechselnd ein Mann und eine Frau aufgerufen werde, trauten sich Frauen häufiger, etwas zu sagen.

Die Leiterin des Landesjustizprüfungsamts, Andrea Schmidt, konnte Towfighs Ergebnisse nur zum Teil bestätigen. Die Behörde wertet seit mehreren Jahren die Noten der juristischen Staatsprüfungen aus. „In der Regel schneiden Frauen beim Ersten Staatsexamen zwar schlechter ab“, bestätigte sie. Die Unterscheide seien aber gering und beim Zweiten Staatsexamen kaum feststellbar. Und in den mündlichen Prüfungen verbessern sich die meisten Kandidaten laut Schmidt sogar.

Ausschussvize Oliver Jörg (CSU) nannte das Thema „hochinteressant“. „Prüfungsautomaten, die abwechselnd Männer, Frauen und Migranten aufrufen, wollen wir aber nicht“, betonte er. Um dem SPD-Antrag zuzustimmen, forderte Jörg, statt der Staatsregierung die Hochschulverbände bei der Lösungssuche in die Pflicht zu nehmen.

Sollen Lehrer Buben und Mädchen abwechselnd aufrufen?

Ausschusschef Michael Piazolo (Freie Wähler) wies darauf hin, dass es „Staatsexamen“ und nicht „Hochschulexamen“ heiße. Aus diesem Grund müsse sich das Wissenschaftsministerium wie im SPD-Antrag vorgesehen an dem Antidiskriminierungskonzept beteiligen. „Der Begriff ‚Hochschulautonomie’ wird immer dann strapaziert, wenn man etwas selbst nicht machen will“, sagte Piazolo.

Die Grünen unterstützten den SPD-Antrag ebenfalls. „Die Rahmenbedingungen für die Hochschulen zu setzen, ist die originäre Aufgabe der Staatsregierung“, sagte Verena Osgyan. Nur so ließe sich ein einheitlicher Qualitätsstandard für ganz Bayern schaffen. Außerdem existieren laut Osgyan bereits verwertbare Ideen: „Gute Pädagoginnen nutzen im Grundschulbereich schon heute nach Geschlecht quotierte Redelisten.“

CSU-Mann Jörg schlug als Kompromiss vor, dass die Hochschulverbände ihre Erfahrungen mit Diskriminerung darlegen und der Staatsregierung Lösungsansätze skizzieren sollen. In der neuen Form wurde der Antrag ohne Gegenstimme angenommen. Über die Ergebnisse muss das Wissenschaftsministerium dem Ausschuss noch in dieser Legislaturperiode berichten. (David Lohmann)

INFO: Was Hochschulen gegen Diskriminierung tun können

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat einen Leitfaden für Mitarbeiter im Hochschulbereich zum Diskriminierungsschutz herausgegeben. Sie rät:

Informationsmaterialien bereitstellen: Viele Betroffene kennen ihre Rechte und im Diskriminierungsfall die Beratungsstellen nicht.

Erst- und Verweisberatung sicherstellen: Oft wissen Mitarbeiter nicht, wie sie mit Diskriminierungsfällen umgehen sollen und verorten den Grund für die Diskriminierung bei den Beratungssuchenden.

Beschwerdestelle und Beschwerdeverfahren einrichten: Die ADS empfieht, Mitglieder des Personalrates, die Gleichstellungs- oder die Schwerbehindertenbeauftragte als Vertrauenspersonen zu bestimmen. Alternativ wird zu einem Gremium mit paritätisch besetzten Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite geraten.

Präventive Maßnahmen ergreifen: Dies können zum Beispiel Dienstvereinbarungen, Verhaltenskodizes, Führungsrichtlinien oder Schulungen zum Diskriminierungsschutz sein.

Instrumente zur Identifikation von Diskriminierung einsetzen: Beispielsweise in Form von Befragungen, statistischen Auswertungen, Testing-Verfahren oder der Prüfung von Beschwerdendaten.

Positive Maßnahmen ergreifen: Unterstützung der Hochschulleitung, Akzeptanz durch die nicht geförderte Gruppe, Beteiligung relevanter Akteure, Bereitstellung erforderlicher Ressourcen.

Weitere Informationen: goo.gl/aCww4q (LOH)

Kommentare (1)

  1. Mit offenem Visier am 13.02.2017
    Bei unterscheidelichen ergebnissen einzelner Gruppen bei Prüfungen gleich die Diskriminierungskeule zu schwingen, ist leider typisch für bestimmte politische Gruppierungen.
    Da könnte es viele Ursachen geben, bei schlechteren Ergebnissen von Migranten u.a. auch die schlechteren deutschen Sprachfähigkeiten, welche ja vor Gericht nicht irrelevant sind.

    Wann bringt die SPD mal einen Antrag ein, der Diskriminierung von Jungen an Schulen zu beenden? Jungs haben doppelt so hohe Durchfallquoten, bei gleicher Übertrittsquote (50:50) aufs Gymnasium kommen trotzdem nur 46 Prozent beim Abitur oben an (46:54).

    Auch da liegt es aber in erster Linie nicht an diskriminierenden Maßnahmen von Lehrkräften, sondern an Faktoren, die nicht so ohne weiteres beeinflussbar sind.
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