Landtag

In Bayern wohnen manche anerkannten Asylbewerber in Wohnwagen, weil sie keine Wohnungen finden. (Foto: dpa)

26.05.2017

267 Prozent mehr Fehlbeleger in Bayern

Über 6000 anerkannte Asylbewerber im Freistaat finden keine Wohnung – der Gemeindetag rechnet bis Ende des Jahres mit 70 000 Wohnungssuchenden

Die gute Nachricht: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg konnte seinen Bearbeitungsstau bei den Asylverfahren von September 2016 bis Ende April dieses Jahres auf 100 000 unerledigte Asylanträge halbieren. Die schlechte Nachricht: Durch die abgeschlossenen Asylverfahren steigt in bayerischen Gemeinschaftsunterkünften die Zahl der sogenannten Fehlbeleger. Das sind Personen, die wegen ihrer Anerkennung als Flüchtling keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben und aus ihrer Unterkunft ausziehen müssten. Eigentlich.

70 000 anerkannte Flüchtlinge werden bis Ende des Jahres auf Wohnungssuche sein, schätzt der bayerische Gemeindetag. „Weil für diese Personengruppe derzeit aber kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht, wird der vorübergehende Verbleib von Anerkannten in Gemeinschaftunterkünften geduldetet“, erklärt das Sozialministerium. Dadurch sollen Notsituationen und Obdachlosigkeit vermieden werden. Georg Rosenthal (SPD) wollte jetzt wissen, wie sich die Zahl der Fehlbeleger in den Gemeinschaftsunterkünften genau entwickelt hat.

Je schneller das BAMF, desto mehr Probleme bei der Unterbringung

Das Ressort von Sozialministerin Emilia Müller (CSU) schreibt in seiner Antwort, die Zahl der auszugsberechtigen Asylbewerber im Freistaat sei zwischen dem 31. Dezember 2015 und dem 31. Dezember 2016 um 267 Prozent auf 6103 gestiegen. Mit 785 gibt es besonders in der Oberpfalz viele Fehlbeleger – eine satte Steigerung um 601 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Mittelfranken stieg die Zahl um 319 Prozent auf 989 Personen, in Oberfranken um 314 Prozent auf 447 Personen. In den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben waren Ende letzten Jahres 1278 beziehungsweise 1027 Asylbewerber auszugsberechtigt – knapp 300 Prozent mehr als 2015. In Niederbayern stieg die Zahl der wohnungssuchenden Flüchtlinge auf 698 – ein Plus von 117 Prozent.

Tatsächlich dürfte es bayernweit allerdings deutlich mehr Fehlbeleger geben, da in der Statistik der Staatsregierung nur die Personen in Gemeinschaftsunterkünften und nicht in anderen Aufnahmeeinrichtungen oder dezentralen Unterkünften erfasst werden. Doch allein rund um München sind das nach Auskunft der Regierung von Oberbayern mehr als 7000 Personen – dreimal so viel wie vor einem Jahr.

Als Gründe für die stark gestiegenen Zahlen von auszugsberechtigten Asylbewerbern nennt das Sozialministerium die schnelleren Bearbeitungszeiten des BAMF durch den zusätzlichen Personaleinsatz. Darüber hinaus stelle die eigenständige Wohnungssuche für Anerkannte gerade in Ballungsgebieten ein großes Problem dar, heißt es in der Antwort. „Vor diesem Hintergrund kann nur die Bereitstellung von Wohnraum beziehungsweise eine verstärkte Ansprache privater Vermieter der steigenden Zahl an Fehlbelegern entgegenwirken.“ Eine von SPD-Mann Rosenthal befürchtete Weisung der Bezirksregierungen gegenüber den Kommunen, die eine Anmietung von privatem Wohnraum verhindert, sei dem Ministerium nicht bekannt.

Zukünftig wird die Situation nicht besser werden. Zu Beginn des Jahres standen in Bayern noch sieben Traglufthallen mit über 600 Menschen – bei fünf davon ist der Mietvertrag inzwischen ausgelaufen. Die Halle im Landkreis München schließt am 29. Mai, die im Landkreis Miesbach am 28. August. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) fordert daher, den sozialen Wohnungsbau zu beschleunigen (siehe Infokasten). Dazu müsse der Freistaat das kommunale Wohnraumförderprogramm auch für kommunale Wohnungsbaugesellschaften öffnen. Das kostet zwar Geld. Aber auch die Gebührensätze für staatliche Einrichtungen liegen in Bayern aktuell bei 278 Euro pro Monat für alleinstehende oder einem Haushalt vorstehende Personen. (David Lohmann)

INFO: Wie anerkannte Flüchtlinge untergebracht werden sollen
Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland hat sich seit 1999 auf 125 000 mehr als halbiert. Der Mieterbund rechnet in Bayern bis 2020 mit nur noch 80 000 öffentlich geförderten Wohnungen. Jetzt kommen noch die auszugsberechtigen Asylbewerber hinzu.

Die Staatsregierung setzt daher auf das Modellprojekt „Fit for Move“, bei dem anerkannte Flüchtlinge zur Unterstützung bei Wohnungsbesichtigungen begleitet werden.

In München gibt es seit 2016 das Wohnungsbauprogramm „Wohnen für Alle“. Bis 2019 sollen 3000 neue Wohneinheiten entstehen. Zukünftig sollen auch Parkplätze von Supermärkten mit Stelzenhäusern in Holzbauweise überbaut werden – das erste Projekt am Dantebad ist kürzlich fertiggeworden.

Nürnberg prüft die Umwandlung von provisorischen Gemeinschaftsunterkünften in dauerhafte Mietobjekte. Die Arbeiterwohlfahrt bietet außerdem „mov´in – wohnRaum für Flüchtlinge“ an, wo Asylbewerber Beratung bei der Wohnungssuche erhalten.

Augsburg plant nächstes Jahr ein neues Beratungsangebot, das sich an Wohnungssuchende mit Problemen richtet. Das „Wohnbüro“ soll Kontakte zwischen potenziellen Vermietern und Mietern knüpfen oder Zwangsräumungen abwenden.

Andere Kommunen setzen beim Wohnungsbau auf Kommunalunternehmen, Siedlungen in Holzständerbauweise oder Unterbringung in Wohnwagen. In der Gemeinde Grasbrunn (Landkreis München) dienen zwei Forsthäuser als Unterkunft. (loh)

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