Landtag

Premiere einer Premiere: Mit „Marilyn – Das Musical“ präsentierte das Gärtnerplatztheater als erstes weltweit ein Musikstück über die Monroe. (Foto: dapd)

31.12.2010

Abreißen oder sanieren

Abgeordnete besichtigen das Staatstheater am Münchner Gärtnerplatz – Umbau mit 70,7 Millionen Euro beziffert

Labyrinthisch. Diesen Eindruck hinterlassen die Räumlichkeiten des Staatstheaters am Münchner Gärtnerplatz, wenn man sie durchschreitet. Für Besucher ist es nicht leicht zu erkennen, auf welcher Ebene sie sich befinden, geschweige denn in welchem Gebäude-Trakt. Das konnten auch die Mitglieder des Kulturausschusses bei einem Vor-Ort-Besuch jüngst feststellen. Allerdings ist das Haus nicht nur verschachtelt, sondern es hat auch veraltete Lüftungsanlagen, teilweise mit Asbest-Anteilen. Und der Gestank aus einigen der Sanitäranlagen ist durchdringend. Letzteren dürfte jeder kennen, der die Spielstätte öfter besucht.


Hochschule für Fernsehen und Film als Ausweichstätte


Tatsächlich zählen diese Mängel zu den Gründen, weshalb das im Jahr 1865 gegründete Staatstheater am Gärtnerplatz saniert werden soll. „Ich kann Ihnen sagen, wo uns die Schuhe drücken, wir haben einige Probleme“, sagte Matthias Hüttenhofer, geschäftsführender Direktor des Hauses, das einst als bürgerliches Pendant zu den Hofbühnen errichtet wurde. Ein großes Manko sei, dass das Gebäude nicht barrierefrei ist. „Wir können behinderte Zuschauer nur im Parkett unterbringen“, erklärte Hüttenhofer. Im Zuschauerbereich gibt es nämlich keinen Aufzug. Weil im ganzen Komplex nur ein durchgehender Lift existiert, müssten die Mitarbeiter Kostüme und andere schwere Gegenstände händisch transportieren.
Während einige der Abwasserleitungen undicht seien, setze Rostfraß den Brauchwasserleitungen zu.
Auch die Elektrotechnik ist laut Hüttenhofer in einem desolaten Zustand. Unter anderem bemängelte er durchgeschmorte Leitungen, Kabeltrassen in den Flucht- und Rettungswesen sowie eine fehlende Fehlerstromschutzeinrichtung. Hüttenhofer: „Und was die Energie betrifft, sind wir im doppelten Sinne des Worts ein offenes Haus.“ Mangelnde Dämmung, schadhafte Fenster und ein feuchtes Sockelmauerwerk lauten hierfür die Ursachen.
Wie Abhilfe geschaffen werden könnte, darüber hat man sich im Gärtnerplatztheater längst Gedanken gemacht: Man möchte das Haus von Grund auf sanieren und deshalb während der Bauarbeiten ausziehen. Ein favorisiertes Übergangsquartier haben Hüttenhofer und seine Leute auch schon ins Auge gefasst: Weil die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) aus der Frankenthalerstraße ausziehen wird, könne man diese zirka 3000 Quadratmeter großen Räume beziehen.
Diese Option habe den Vorteil, dass die Immobilie dem Freistaat gehört und deshalb kein Mietzins anfallen werde. Allerdings müsse man auf dem Grundstück eine rund 2000 Quadratmeter große Halle errichten, um dort unter anderem die Werkstätten unterzubringen. „Die kann nach der Sanierung weiter benutzt werden“, sagte Hüttenhofer. Eine neue Halle zu errichten sei preiswerter, als ein entsprechendes Areal anzumieten, erklärte der Geschäftsführer. Entsprechende Angebote habe man eingeholt.
Als Ausweich-Spielstätten seien das Cuvilliéstheater, die Reithalle, das Prinzregententheater und das Deutsche Theater anvisiert. Mit Letzterem wolle man sich den Erlös teilen. Für die drei anderen fiele kein Mietzins an, weil es sich um staatliche Einrichtungen handelt.
Ginge es nach Hüttenhofer, sollten die Bauarbeiten im Jahr 2012 beginnen. Diese würden inklusive Umzugskosten und neuer Halle mit rund 70,7 Millionen Euro zu Buche schlagen. „So ein Theater ist keine 3-Zimmer-Wohnung“, sagte Hüttenhofer.
Dass es nicht leicht sein wird, die Politiker für ein weiteres Großprojekt in München zu gewinnen, zeigte sich bei der Aussage des Bayreuther Abgeordneten Walter Nadler (CSU): „Als einem, der aus der Provinz kommt, wo um jeden Euro gekämpft wird, wird mir bei der Summe ganz schwindlig“, sagte er. Auch sein Parteikollege Thomas Goppel ist der Ansicht: „Diese Diskussion müssen wir sensibel führen.“ Andererseits gab er ob des mangelhaften Zustands der Stätte zu bedenken: „Wenn wir es noch ein paar Jahre so stehen lassen, kann man es abreißen.“
Diese Ansicht teilt auch Sepp Dürr (Grüne). Ihn stört allerdings, dass über die Sanierung des Hauses diskutiert wurde, obwohl dessen künstlerischer Kurs für die Zukunft offen sei. Damit spielte er auf den bevorstehenden Intendantenwechsel an: Ulrich Peters wird das Haus zum August 2012 verlassen, weil sein Vertrag nicht verlängert wurde. Gründe für diese Entscheidung sind von Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) nicht genannt worden. Dürr würde sie aber gerne wissen und forderte Informationen: „Was hat dem Minister nicht gefallen? Wie viel wird der Intendantenwechsel kosten? Werden alle Künstler übernommen? Bekommt der Neue Geld für seine Intendanz-Vorbereitung?“
Auch die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses Isabell Zacharias (SPD) fordert einen detaillierten Bericht über die Kulturausrichtung in ganz Bayern. Außerdem sagte sie: „Große Persönlichkeiten der Kunst wie Kent Nagano verlassen München.“ Darunter leide der Ruf der bayerischen Landeshauptstadt. Künftig wolle sie solche Entscheidungen nicht erst aus den Medien erfahren, sondern im Ausschuss darüber informiert werden. Zacharias: „Wir reden hier nicht von einem Klavier, sondern von Menschen.“ Derlei Informationen würden den Datenschutz unterwandern, hielten Julika Sandt (FDP) und Thomas Goppel (CSU) dagegen. Wenn derlei Persönliches öffentlich diskutiert werde, „käme kein Künstler mehr nach München“, argumentierte der Kunstminister a.D.
(Alexandra Kournioti)

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