Landtag

Landwirte wollen alle fünf Fraktionen unterstützen. Doch wie sieht die richtige Förderung aus? (Foto DDP)

15.01.2010

Auf der Suche nach einer neuen Klientel

FDP will mit Verbänden vor Ort über die Zukunft des ländlichen Raums diskutieren – CSU und Freie Wähler zweifeln an ernsthaften Absichten

Handelt es sich um ein Dialogforum, das die Entwicklung des ländlichen Raums tatsächlich vorantreiben wird? Oder ist es lediglich der Versuch einer Klientelpartei, sich eine neue Klientel zu erschließen? Eins steht jedenfalls fest: Seitdem Thomas Dechant, FDP-Sprecher für die Entwicklung des ländlichen Raums, angekündigt hat, seine Partei werde sich mit einem neuen Gremium verstärkt der Gestaltung des ländlichen Raums annehmen, ist das Thema Entwicklung jenseits der großen Städte en vogue. CSU und Freie Wähler zweifeln, dass die FDP es ernst meint mit dem angekündigten Engagement für den ländlichen Raum. Ungeachtet dessen erklärte Dechant: „Wir werden einen intensiven Dialog mit den Akteuren vor Ort initiieren.“ Und der soll so funktionieren: Die liberalen Fachpolitiker wollen sich mit regionalen Gruppierungen wie den Landwirtschaftsverbänden zusammensetzen und deren Positionspapiere durcharbeiten. Anschließend soll in noch zu bildenden Arbeitsgruppen wie „Gesundheit“, „Soziales“, „Bildung“ und „Landwirtschaft“ mit den örtlichen Entscheidungsträgern diskutiert werden. Einbeziehen möchte man eine Vielfalt an Verbänden wie Lehrervereinigungen sowie Städte- und Gemeindetag. Ein erstes gemeinsames Treffen ist für den 10. März imbayerischen Landtag anberaumt. An genau diesem Tag hat Dechant Geburtstag: „Das freut mich besonders.“ Und: „Als Landei, das großen Wert auf den Halt in der Gemeinschaft legt, liegt mir das Thema besonders am Herzen“, sagt er treuherzig. Das neue Gremium solle aber keine Konkurrenzveranstaltung zu jenem Staatssekretärsausschuss sein, der sich mit der Entwicklung des ländlichen Raums beschäftigt. Dieser wird übrigens von Dechants Parteikollegin, Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP), geleitet. Vielmehr verstehe man das neue Gesprächsforum als „verlängerten parlamentarischen Arm“. Die anderen Fraktionen hätten sich beim Thema Entwicklung des ländlichen Raums in den vergangenen Jahren zurückgehalten, so sei ein Vakuum entstanden. Seinem Koalitionspartner, der CSU, wirft Dechant vor, „den ländlichen Raum auf die Breitbandversorgung reduziert zu haben“. Seine Partei wolle die Menschen vor Ort mehr in die Pflicht nehmen und ihnen Entscheidungen übertragen. „Wir wollen nicht wie die anderen Parteien den Menschen auf dem Land Lösungen überstülpen, sondern sie daran teilhaben lassen“, sagt Dechant. Keinen Hehl macht der Liberale daraus, dass sich seine Partei mit ihrer Initiative auch einen Imagewechsel verpassen will: weg von dem der großstädtischen Partei, hin zum Partner für die Region. Und man werde das Dialogforum „als Vehikel nutzen, um die CSU zu jagen“. So will die FDP eine wohnortnahe Schule vor allem durch eine längere gemeinsame Grundschulzeit ermöglichen. Die CSU lehnt Letzteres ab. „Es führt kein Weg zur sechsjährigen Grundschulzeit“, sagt Alexander König, stellvertrender CSU-Fraktionsvorsitzender. Ansonsten hat König, der auch Sprecher seiner Fraktion für den ländlichen Raum ist, ein leicht vergiftetes Lob für den Koalitionspartner übrig: „Ich freue mich, dass auch die FDP den ländlichen Raum entdeckt hat. Wir beschäftigen uns mit ihm schon seit Jahrzehnten.“ Was er vermisse, seien konkrete Aktivitäten vom FDP-geführten Staatssekretärsausschuss zum Themenbereich ländlicher Raum. Abwanderung, der Verlust hochwertiger Arbeitsplätze, regional unzureichende Infrastruktur und die Überalterung der Ärzteschaft zählten zu den Problemen, „die nach Lösungen schreien“. König befürchtet, die FDP wolle sich lediglich eine neue Klientel erschließen. Das sieht Thorsten Glauber, neben Alexander Muthmann Sprecher für den ländlichen Raum der Freien Wähler (FW), genauso: „Ich bin verwundert, dass sich ausgerechnet die FDP für dieses Thema interessiert – so marktwirtschaftlich, wie sie sich vor Ort positioniert.“ So befürworteten die Liberalen Privatisierungen. Gerade diese hätten sich im ländlichen Raum negativ ausgewirkt: „Die Privatisierung der Telekom beispielsweise hat die Breitbandversorgung auf dem Land zum Erliegen gebracht“, sagt Glauber. Über den jüngsten Vorstoß der FDP meint er: „Herr Dechant hat lediglich einen Prozess beschrieben, inhaltlich ist das Ganze absolut blutleer.“ Den Vorwurf inhaltlicher Defizite muss sich die FDP gefallen lassen: Abgesehen von der längeren gemeinsamen Schulzeit unterscheiden sich ihre Positionen nicht wesentlich von denen der CSU. Und eine Lektüre der Konzepte der anderen Fraktionen beweist: Neues beinhaltet das der FDP wahrlich nicht. Subsidiarität, mehr staatliche Arbeitsplätze auf dem Land, Investitionen in eine flächendeckende Landwirtschaft, Hausärzteversorgung und Infrastruktur sowie Stärkung des Ehrenamts: Die Konzepte aller fünf Fraktionen weisen mehr Gemeinsames als Trennendes auf. Fazit: Problem erkannt, Lösung weiterhin ungewiss. (Alexandra Kournioti)

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